Libanon: Schiiten im Machtkampf

■ Schwere Gefechte zwischen Amal und Hisbollah im Süden Beiruts / Syrer greifen ein

Beirut (taz) - „Die Lösung des Problems liegt in der iranischen Hauptstadt“, polemisierte Sheikh Shamseddin, Chef der höchsten religiösen Instanz der libanesischen Schiiten, und gab bekannt, er werde in Kürze nach Teheran reisen, um die seit Anfang dieses Jahres anhaltenden Spannungen zwischen der pro-syrischen Schiitenbewegung Amal und der pro -iranischen, ebenfalls schiitischen Partei Hisbollah zur Sprache zu bringen. Schwere Kämpfe zwischen den rivalisierenden Milizen, die seit Donnerstag nachmittag hauptsächlich in den südlichen Vororten der libanesischen Hauptstadt herrschen, haben der Problematik neue Dringlichkeit verliehen. Ein Großteil der Bewohner dieser sehr dicht besiedelten Slumgebiete mußte zum zweiten Mal in diesem Jahr in andere Stadt- bzw. Landesteile flüchten.

Erst vor sechs Monaten hatte der Einmarsch mehrerer tausend syrischer Spezialtruppen nach „Dahiyeh“ den verlustreichen „Krieg der Vororte“ beendet. Nach offizieller Lesart waren die Milizen entwaffnet abgezogen, die Amal-Miliz nach Angaben ihres Chefs Nabih Berri gar aufgelöst worden. Schauplatz des Machtkampfs war ursprünglich der schiitisch dominierte Südlibanon, wo Amal zu Jahresbeginn die Hisbollah vertrieben hatte. Doch der Konflikt wurde auf anderer Ebene festgesetzt: Im September wurde in den Vororten Beiruts die für den Südlibanon zuständige Militärführung von Amal Opfer eines Attentats. Berri machte öffentlich die Hisbollah verantwortlich. Anfang dieser Woche entging im ostlibanesischen Baalbek die Parteispitze der Hisbollah nur mit knapper Not einem Raketenangriff. Die Hisbollah klagte Amal als Urheber an. Ein Raketenangriff auf den für „Information und Propaganda“ zuständigen Amal-Funktionär Ayoub Hamayed im Westbeiruter Stadtteil Kantari führte Donnerstag nacht zur Eskalation. Gefechte in allen Teilen der südlichen Vororte drohten wiederholt, auf Westbeiruter Stadtteile überzugreifen.

Petra Groll