Ein Bush als Kämpfer gegen das Waldsterben?

US-Umweltgruppen sind mit der Wahl von George Bush ins Weiße Haus nicht unzufrieden: „Es kann nur noch bergauf gehen“ / Erste Aufgabe wird es sein, die forcierte heimische Ölsuche vor den Küsten zu bremsen / Neu-England wurden Maßnahmen gegen den sauren Regen zugesagt - im Wahlkampf  ■  Aus Washington Silvia Sanides

„Ich bin ein Umweltschützer“, proklamierte Präsidentschaftskandidat George Bush zum Höhepunkt des Wahlkampfs. Amerikanische Wähler und Umweltschutzvertreter nehmen den zukünftigen Präsidenten dieser Tage beim Wort und sind „vorsichtig optimistisch“. Nancy Light von der Umweltorganisation „Sierra Club“ betont, dass es nach der Regierung Reagan mit der Umweltpolitik nur noch bergauf gehen kann. Immerhin war der Umweltschutz eines der wenigen Diskussionsthemen in einem Wahlkampf, der ansonsten in erster Linie aus leeren Phrasen und Bösartigkeiten gegenüber dem Gegner bestand.

Der Schutz der Umwelt ist eines der wenigen klaren Mandate, das Bush und der neue Kongreß erhalten haben, meint Jim Maddy von der Umweltorganisation „League of Conservation Voters“. Tatsächlich erwacht in den USA dieser Tage ein neues Umweltbewußtsein. Verseuchte Strände und Treibhauseffekt, Smog, Giftmüllskandale und die radioaktive Verseuchung in den Atomwaffenanlagen beschäftigen die Medien und alarmieren die Bevölkerung. Daß die Natur just zum Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfes in diesem Sommer kund tat, daß ihr zuviel aufgebürdet wird, brachte Wind in die Segel der Umweltschützer. Verseuchte Strände entlang der Ostküste mussten in der grössten Sommerhitze geschlossen werden und eine der schlimmsten Hitzewellen heizte auch den Verdacht an, daß der Treibhauseffekt sein Wirken bereits begonnen habe. Kandidat Bush konnte diese Boten einer Umweltmisere, mit der sich die Nation beschäftigte, kaum unbeachtet lassen: Er machte Versprechungen. Den vom sauren Regen geplagten Neuengland-Staatensagte er zu, Schwefeldioxid- und Stickoxidemissionen, die Hauptverursacher des sauren Regens, einzudämmen. An den verseuchten Küsten des Bundesstaates New Jersey beschwor er das Ende der Abwassereinleitung in die Ozeane, und der von der Hitze geplagten Nation kündigte er eine internationale Konferenz zum Treibhauseffekt im Weißen Haus innerhalb des ersten Jahres seiner Präsidentschaft an. Außerdem, so der Umweltschützer Bush, werde er die Giftmüllentsorgung beschleunigen, sich für den Erhalt von Feuchtgebieten einsetzen und bei der Ölexploration vor den Küsten Umweltinteressen berücksichtigen. Die meisten dieser Versprechen sind zwar recht vage, meint Light, doch habe Bush wiederholt gezeigt, daß er im Gegensatz zu Präsident Reagan zumindest ein Verständnis für Umweltprobleme besitze. Frappierendes Beispiel: Reagan behauptete über Jahre, die Ursache von saurem Regen sei nicht hinreichend erwiesen. Er bestand darauf, daß erst nach weiterer Forschung politische Massnahmen ergriffen werden sollten. Die Bemerkung des Präsidenten, die Bäume selbst seien wegen ihrer Ausdünstungen für die Luftverschmutzung verantwortlich, gilt als Paradebeispiel für das Reagan'sche Umweltverständnis.

Senat ist ökologisch verträglich

Bush setzte sich in diesem Punkt während des Wahlkampfs von seinem Chef im Weißen Haus ab als er sagte: „Die Zeit der ausschließlichen (saure Regen-)Forschung ist vorüber. Wir wissen genug, so daß wir erste Schritte unternehmen können, um zukünftigen Schaden abzuwenden“. Ein Blick auf Bush's direkte politische Vergangenheit gibt allerdings eher Anlaß zu Pessimismus. Als Vizepräsident steht er einem industriefreundlichen Deregulierungsausschuß vor, der den Übergang zu bleifreiem Benzin verhindern wollte, sich strengeren Vorschriften bei der Giftmüllentsorgung widersetzte und Auflagen für Energieeinsparung bei Kraftfahrzeugen zu verwässern suchte. Für seine Karriere als Senator von Texas geben Umweltgruppen dem Vize jedoch ein gutes Zeugnis. Zum Optimismus der Umweltschützer trägt nicht zuletzt die Tatsache bei, dass sowohl das Repräsentantenhaus wie der Senat in den Wahlen je um einen Umweltschützer aus den Rängen der Demokraten reicher geworden sind. Der Senat, freut sich Maddy, ist in Umweltangelegenheiten „veto -sicher“. Das heißt, ein Veto Bush's in der Umweltgesetzgebung wird von den Senatoren mit Sicherheit überstimmt werden.

Um Tim Mahoney, ein Lobbyist des Sierra Clubs in Washington meint: „Es wird wohl so werden wie mit der Nixon- und Ford -Administration: Die waren nicht immer unsere Freunde, aber es war auch nicht der Totale Krieg wie während der Reagan -Zeit“.

Ökologen und Wissenschaftler halten es für die dringendste Aufgabe für Bush, eine ökologischere Energiepolitik zu entwerfen. Denn ohne größere Sparmaßnahmen werden die Abhängigkeit der USA von fossilen Brennstoffen und damit vom Ausland ebenso wachsen, wie das Ausmaß der Umweltschäden. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, daß Bush die Politik seines Amtsvorgängers, schon bald fallenlassen wird, könnte er doch Reagan forcierte Öl- und Gassuche in ökologisch empfindlichen Gebieten verlangsamen, so etwa vor der kalifornischen Küste.

Die Umweltlobby wird sich ein klareres Bild über die Zukunft der amerikanischen Umweltpolitik machen können, wenn Bush seinen Innenminister und den Vorsitzenden der Umweltschutzbehörde ernennt. Für letzteres Amt steht Michael Deland, der bisher der regionalen Umweltschutzbehörde der Neuengland-Staaten vorstand, in der engeren Auswahl. Deland ist als rigoroser Umweltschützer bekannt. Er hatte zusammen mit Umweltorganisationen den Staat Massachusetts wegen der Verschmutzung des Hafens von Boston verklagt und damit dem Gouverneur des Staates, Michael Dukakis, eine peinliche Situation während des Wahlkampfes bereitet.