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Selbstenthauptung

Zur gestrigen Sitzung des Innenausschusses  ■ K O M M E N T A R

Wenn ein Innensenator vor einem parlamentarischen Gremium explizit und prinzipiell die Antwort auf konkrete Fragen nach seiner Amtsführung verweigert, dann brüskiert er das Parlament; wenn der Innensenator aber schon mit der Absicht vor einem parlamentarischen Gremium erscheint, solche Fragen nicht ernstzunehmen, dann zeigt er, welche Bedeutung für ihn das Parlament hat: es ist der letzte Dreck. Das Spiel dieser parlamentarischen Selbstenthauptung sah so aus: Die Opposition entarnt die Besuche eines VS-Agenten beim SPD -Abgeordneten Pätzold. Kewenig verneint den Auftrag. Schweigt zu dem begründeten Hinweis, daß der Agent dem Verfassungsschutz berichtet habe. Die Koalitionsabgeordneten verdächtigen Pätzold, weil er informiert ist. Die Opposition bietet Ausschluß der Öffentlichkeit an, damit Kewenig reden kann. Folgerichtig stimmt die Mehrheit gegen den Ausschluß. Die Opposition zieht aus. Was sollten sie sonst tun? Nächste Woche, wenn die Vorwürfe in Sachen taz auf den Tisch kommen, wird dasselbe Stück gespielt. Die Parlamentarier nehmen ihrem Innensenator auch noch die Mühe der Vertuschung ab.

Das politische Ergebnis ist unübersehbar: Nicht nur, daß der Senat den rechtsfreien Raum des Verfassungsschutzes verteidigen will, egal, ob die Behörde inzwischen erpreßbar geworden ist; nicht nur, daß parlamentarische Gremien ohne die geringste Scham auf die parlamentarische Kontrolle verzichten - diese Innenausschußsitzung zeigt, daß die Vormacht des Verfassungsschutzes faktisch schon die parlamentarischen Institutionen zersetzt hat. Der Regierende Bürgermeister vollendet nur: Er schlägt vor, den Verfassungsschutz von einer unabhängigen Persönlichkeit durchleuchten zu lassen. Mit anderen Worten: für Diepgen ist die parlamentarische Kontrolle tot, es lebe die unabhängige Persönlichkeit.

Klaus Hartung

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