Prädikat: besonders wertvoll

■ Christoph Ransmayr liest heute abend aus seinem neuen und hochgejubelten Buch „Die letzte Welt“

Selten war sich das deutsche Feuilleton vonlinksnachrechts so einig wie in diesem Bücherherbst: „Endlich ein neues Talent, ein Sprachgenie“, jubelt die FAZ, endlich wieder „ein großer Roman, einer der schönsten Romane der Gegenwartsliteratur“, freut sich die ZEIT, „eine Prosa, die Funken schlägt“, lobt der Stern, „große deutsche Literatur“, meldet „der SPIEGEL“.

Der Autor, vor dem sich alle Kritiker einmütig verbeugen, heißt Christoph Ransmayr, ist 34 Jahre alt und Österreicher, ein unauffälliger Zeitgenosse ohne Starallüren, obwohl schon sein erster Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“, die Schilderung einer Seefahrer-Odyssee in die Hölle der unerforschten Antarktis, vor vier Jahren als „intellektuelles Abenteuer“ gefeiert wurde.

Ausgestattet mit dem hochdotierten Elias-Canetti-Stipendium schrieb Ransmayr drei Jahre lang - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - seinen neuen Roman „Die letzte Welt“. Der Aufmerksamkeit, die seiner literarischen Arbeit gilt, traut er nicht, „sie irritiert ihn“. Diese Irritation rechnen die Rezensenten dem Autor hoch an: „Neben seiner melancholischen Intelligenz scheint einer seiner hervorstechensten Charaktereigenschaften die entwaffnend unkokette Bescheidenheit zu sein“ (Spiegel).

Zu Zeiten, in denen selbst ein „rasender Mitläufer“ (Schultz -Gerstein) wie Rainald Goetz keinen Bonus mehr bekommt, nur weil er sich beim Klagenfurter Wettbewerb die Stirn aufritzt, zu Zeiten, in denen selbst so „überraschte Voyeure“ wie Botho Strauß und Peter Handke mit ihren sogenannten Provokationen keinen Kritiker mehr hinterm Ofen hervorlocken können, gelten für den deutschen Literaturbetrieb andere Qualitäten eines Autors: bescheiden und sympathisch muß er sein, unauffällig und noch unverdorben - die beste Veraussetzung, um Karriere machen zu können.

„Die letzte Welt“ ist ein historischer Roman, ein historischer Bildungsroman. In der großen deutschen Literatur heißt der Held OVID. Es ist der erste historische Roman über OVID. Darüber freuen sich alle. Die Tatsache, daß Ransmayr akribisch und spielerisch mit Versatzstücken arbeitet, sich zwar detailgetreu an der historischen Vorlage entlangt schreibt, um sie ab und zu mit Anachronismen zu verfremden (in Rom hat man Mikrophone und Telefon, in Tommi am Schwarzen Meer werden Spielfilme gezeigt), und deshalb die Überlieferung auf den Kopf stellt, bewerten die Kritiker als Zeichen eines unerschöpflichen Sprach- und Erzählgenies, ja als „einen Glücksfall für die Literatur“ (Die Welt).

Nach dem Erfolg von Umberto Ecos „Der Name der Rose“ und Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ hat der historische Roman mit Bildungsanspruch auch in diesem Lande wieder Hochkonjunktur. Der unbeschwerte Umgang mit historischen Fakten hat dem Roman „Die letzte Welt“ das Prädikat „besonders wertvoll“ eingetragen. Das zählt.

Regina Keichel

Ransmayr liest heute abend in der Buchhandlung Blessing, Albertstraße, 20 Uhr