Die widerlich nützliche Quote

■ Die 50-Prozentquote bringt die Frauen der Bremer Grünen dahin, wohin sie wollen, aber nicht, wohin sie sollen: auf den Schleudersitz des ehrenhaften Landesvorstands

„Widerlich und zum Heulen“ ist der „pädagogische Anspruch“, mit dem die Grünen Frauen Politik machen. Wie z.B. bei der letzten Wahl zum Bremer Landesvorstand am 16. November, als sie auf der fifty-fifty Quotierung beharrten und dann trotz aller Vorbereitungen statt der nötigen vier nur zwei Frauen hineinbrachten, so daß schließlich ein Hochschullehrer und ein Wimi Vorstandssprecher wurden. Der also spricht, Dietrich Heck, ist aus Protest gegen die Quotierung aus der grünen Partei ausgetreten, als er Anfang 87 nicht in den Landesvorstand gewählt werden konnte. Denn damals hatten die Frauen darauf beharrt, die nicht besetzten Frauenplätze für drei Monate frei zu halten. In diesem Jahr hatte dagegen eine Frauen-Mitgliederversammlung ihr Plazet zur Wahl der beiden männlichen Sprecher gegeben.

Ein Drittel der 500 Bremer Grünen Mitglieder sind Frauen. Sollte man nicht die Quote an die Mitgliederzahl anpassen, sind die 50 Prozent nicht ein Bumerang für die Partei, den man korrigieren sollte? Nein, sagt Ralf Fücks (MdBBü), die 50 Prozent drücken eine „gesellschaftspolitische Zielvorgabe“ aus, und die Reibung mit dem real Erreichbaren ist eine „fruchtbare Irritation“. Deren Verringerung allerdings Aufgabe der Frauen sei.

Die Grünen Frauen, die ich befrage, setzen, wie die Geschäftsführerin Erika Genreith, „auf Zeit zum Durchsetzen“. „Die Stillegung der Kernkraftwerke haben wir auch nicht in drei Jahren erreicht und haben sie auch noch nicht aus dem Programm gestrichen“, verteidigt Maria Spie

ker, Frauenreferentin der Fraktion, die drei Jahre alte Regelung. Allerdings, das ständige Genadel wegen der nicht aufzutreibenden „Quotenfrauen“ sind auch die Frauenfrauen herzlich satt. Innerhalb der Bremer Grünen ist es noch ruhig, sagtHelga Trüpel (MdBBÜ), „Aber die Stimmung ist gekippt auf Bundesebene.“ Frauen aus anderen Landesverbänden berichteten über wachsende Einwände gegen die Quote.

Das Starren auf das Frauendebakel im Bremer Landesvorstand verstellt den Blick. Von den 150 Frauen, die Grünen -Mitglieder ist über ein Viertel in politischen Funktionen aktiv: fünf in der Bürgerschaft, von sechs wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fraktion sind fünf Frauen, die Hälfte der ehrenamtlichen FunktionärInnen in den vier neu enstandenen Kreisverbänden (quotiert) sind Frauen. Und ein Drittel der 28 ehrenamtlichen Beiratssitze (nicht quotiert), sind weiblich bestückt. Nach Wahlerfolg und Kreisverbandsausbau haben sich die Funktionen sprunghaftausgeweitet, statt vorher 8 sitzen jetzt 28 people in den Beiräten, fünf der ehemaligen Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sind in die Fraktion aufgerückt und mußten ersetzt werden. Quote und Frauenförderplan haben dafür gesorgt, daß Frauen sich genau dort tummeln, wo sie sonst nie hingekommen wären: als reichdotierte Abgeordneten und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen.

Liegt es also an der Ehrenamtlichkeit der Arbeit im Landesvorstand, daß die Frauen sie meiden? Nein, sagt Brunhilde Wilhelm.

Sie war ein Jahr Mitglied im vorherigen Landesvorstand und hat, wie alle anderen Mitglieder auch, nicht wieder kandidiert. Alle gaben „private Gründe“ an, wie

Brunhilde, die ein Kind hat und sich endlich auf intensive Arbeitssuche machen wollte. Trotzdem, die Aufwandsentschädigung von 250, die eine Struktur

kommission vorgeschlagen hatte, hätte für sie nichts geändert.

Hinter den „privaten Gründen“ kommt beim Nachfragen immer deutlicher die Unlust mit

der Arbeit im Landesvorstand zutage. Außer mit Stellungnahmen zu Bonner Flügel„knatsch“ sei sie vor allem damit beschäftigt gewesen, Knatsch zwischen den unteren Parteigliederungen auszubügeln.

Die Zeiten der außerparlamentarischen Mobilisierung sind im Augenblick vorbei, die Ressourcen fürs fachlich spezialisierte Politikmachen in die Bürgerschaftsfraktion gewandert: so bleibt der Landesvorstand zurück als Punching -Ball, an dem die Mitglieder ihren Zorn austoben können, wie der Durchfall Christine Bernbachers bei der Landesvorstandswahl 87 demonstriert hat. Er muß seine politische Funktion neu bestimmen, etwa so wie es dem neuen Vorstandssprecher Thomas Krämer Badoni vorschwebt, der in Richtung auf ein Forum für kritisch-programmatische Gedanken hinauswill. Die Frauen haben die ehrenamtlichen Schleudersitze für Grundsatzfragen Berufeneren überlassen und die konkretere Arbeit in den Beiräten oder die gesicherte in bei der Fraktion vorgezogen.

Uta Stolle