Innere Mission will BAT-Tarif

■ Kirchliche Mitarbeiter wollen nicht mehr nach den verschwommenen Regel des „Dritten Weges“ bezahlt werden / Auf Mitgliederversammlung Votum durchgesetzt

So hoch gingen die Wogen auf der Jahresmitgliederversammlung der Inneren Mission am Dienstagabend, daß sogar die Börsengeschäfte des Großindustriellen Flick und der Jäger 90 erwähnt wurden. Wo Flick mal eben fünf Milliarden verdienen könne, und wo Geld für das neue Kampfflugzeug ausgegeben werde, da müsse auch mehr Geld für die Mitarbeiter der Inneren Mission da sein, meinte deren Vertreter Otto Pirschel. Vorsitzender Carl von Schröder konterte mit schwerem Geschütz: „Gehen Sie doch nach drüben, und sehen Sie sich die Verhältnisse dort an. Da ist es mir schon lieber, wenn jemand wie Flick hier sein Geld verdienen kann“.

In seinem Jahresbericht hatte Geschäftsführer Manfred Schulken umrissen, wie das rauhere soziale Klima die Einrichtungen der Inneren Mission stärker belastet: Das Übergangswohnheim im Jakobushaus sei ständig überbelegt, dort schlafen die Obdachlosen auf dem Flur. Mehr und zunehmend jüngere Leute würden aus dem Wohnungsmarkt verdrängt. Auch das Frauenhaus der Inneren

Mission sei ständig „ausgebucht“. Im Isenbergheim stauten sich die Pflegefälle. Der Aufzählung des geschäftsführenden Pastors widersprachen die Mitarbeiter nicht. Nur: Von der zunehmenden Belastung der Mitarbeiter habe er nicht gesprochen, hielten sie ihm vor. Als der Vorsitzende mit „Gehen Sie doch nach drüben“, geantwortet hatte, versuchte Mitarbeitervertreter Wolfgang Fritsch, den Vorstand zu besänftigen: „Wir sind hier doch alle keine Revolutionäre. Sonst wären wir doch nicht bei der Inneren Mission“.

Wie wahr. Dennoch wollten die MitarbeiterInnen des frommen Vereins ihren Willen gegen den Vorstand durchsetzen: Sie verlangten eine einheitliche Regelung ihrer Gehälter und Arbeitsinhalte nach dem Bundesangestelltentarif (BAT).

Bisher bezahlt die Innere Mission, ein Mitgliedsverein des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche, nach den schwer faßbaren Grundsätzen des „Dritten Weges“. Bei der Bremer Inneren Mission sieht das so aus: Zwar werden die Tarife des BAT weit

gehend schon heute angewandt. Aber die Einstufung der Mitarbeiter in die einzelnen Gehaltsklassen ist allein Sache des Arbeitgebers. Was die MitarbeiterInnen der Inneren Mission aber seit Jahren am meisten erbittert: Arbeit, die sie nachts und an den Wochenenden leisten müssen, wird nicht mit Zuschlägen honoriert. Das gibt es sonst weder in der Industrie, noch im öffentlichen Dienst. Erst ab Januar des kommenden Jahres will die Innere Mission Zuschläge bezahlen, darauf wies Geschäftsführer Schulken mehrmals hin. Dennoch saß der Frust der MitarbeiterInnen tief. „Die Kirche in der Welt ordnet ihre Dinge selbst“, beschwor Schulken seine renitenten Untergebenen. Die wollten ihre Gehälter aber nicht mehr von der Kirche, sondern anders regeln lassen: ausschließlich von den Tarifverträgen zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der öffentlichen Hand.

Zu gern wäre der Vorstand an einer Abstimmung über den leidigen BAT vorbeigekommen. Pastor Schulken bat die Versammlung um einen Aufschub. Bei

innerkrichlicher Lohnfindung könnten die Mitarbeiter mitreden, argumentierte der Vorsitzende Carl von Schröder, beim BAT nicht. „Die Abstimmung ist völlig sinnlos“, sagte Geschäftsführer Schulken, und deutete damit an, daß sie der Vorstand nicht unbedingt respektieren will.

Nach viereinahlb Stunden war es dann so weit. Nur noch 37 Stimmen (die Innere Mission beschäftigt 385 Leute) mußten ausgezählt werden. Zwölf hatten gegen den Einstieg der Inneren Mission in den Gewerkschaftstarif gestimmt, 25 aber dafür.

mw