Inspirierender indikativer Minimalismus

VfL Bochum - Bayern München 0:0 / Bayerns Zweckfußballer gehen unbeirrt ihren Weg zum Titel  ■  Aus Bochum Christoph Biermann

Der Konjunktiv gehört abgeschafft! Darin sind sich die meisten Bundesliga-Trainer seit dieser Spielzeit einig. Für dieses Ziel kämpfen sie Woche für Woche nach den Spielen in ihren sogenannten Pressekonferenzen. Da wird mit viel Elan und Verve die nicht wirksam gewordene Hypothese, der Konjunktiv, der schon seit einer halben Stunde tot ist, kurz, die verkimmelte Torchance, beschworen und unversehens in den Status des präsentischen Indikativs erhoben. Bayern -Trainer Jupp Heynckes befand sich also mit seiner Analyse auf der Höhe des Zeitgeistes der Saison 88/89, als er sagte: „Wenn der Jonny Ekström die Chance in der zweiten Halbzeit nutzt, dann steht es 1:0 für uns.“ So sprach er, obwohl doch VfL-Katze Ralf Zumdick den rechten Arm hochgerissen und damit die grammatikalische Konstruktion des Josef H. zunichte gemacht hatte. Überhaupt war es ein Spiel, das dem Bundesliga-Zeitgeist in vielem gerecht wurde. Es ist gut möglich, daß Bochum am Samstag den kommenden deutschen Meister sah. Ein Bayern-Team, das auf der Suche nach dem hochqualifizierten Zweckfußball vergangener Jahre ist, sich damit schwertut und doch erfolgreich bleibt. Die Idee ist die gleiche wie bei Werder im letzten Jahr. Nicht die beste Mannschaft wird Meister, sondern die, die am wenigsten Fehler macht. Zwar spielt das Team sehr offensiv, aber ohne sonderlichen Esprit - Zweckfußball eben.

Den schönsten Fußball sollen andere spielen, der VfB Stuttgart etwa, aber wir spielen den erfolgreichsten. Für die Bundesligakonkurrenz, die den Bayern in der Hinserie noch keine Niederlage zufügen konnte, vielleicht auch ein mentales Problem. Der VfL Bochum zum Beispiel hätte die Bayern vor allem in der zweiten Halbzeit durchaus schlagen können, wollte aber erstmal nicht verlieren. Zu viele traumatische Erlebnisse mit Bayern-Mannschaften, die doch noch irgendwann ein Siegtor geschossen haben, saßen wohl zu tief. So fehlte dem Spiel, das durchaus gut war, das, was der Bundesliga generell zu fehlen scheint: auflodernde Begeisterung. Jupp Heynckes sprach hinterher trotzdem von der „für einen Fußballer inspirierenden Atmosphäre“ im mit fast 40.000 Zuschauern gut gefüllten Ruhrstadion. Aber damit lieferte er nur den Flachpaß für all die Sportjournalisten, die in der laufenden Saison mit einem neuen Ausdruck ihre Berichterstattung aufzubessern wissen. Angesichts von Null -Null-Spielen, wenigen Toren an einem Spieltag und Zuschauerrückgang denken sie jetzt an Kunst. Minimalismus nennen sie das dann. Wir dürfen demnächst wohl gespannt sein auf impressionistische Zeitlupen, neorealistische Transferbilanzen, dadaistische Eigentore, expressionistische Tacklings und pointilistische Tabellenstände.

Und noch etwas: Zum Fußball gehen weiterhin genug stumpfgesichtige Arschlöcher, die wie das Rohmaterial für die Gruselstories von 'Bild‘ wirken. Nein, nicht von Hooligans ist hier die Rede, sondern von den Frustrierten, die mal eben mittendrin ausrasten. So einer zettelte kurz vor Spielschluß aus heiterem Himmel eine Schlägerei an. Die drei bis dato gutgelaunten Blau-Weiß90-Fans - als die „Objektiven aus Block 26“ angeblich taz-Berlin-notorisch mit einem Punkt vom Spiel gegen Fortuna Düsseldorf angereist, bekamen auch etwas ab. Das war's dann mit der guten Laune. Aber auch das ist wohl Zeitgeist, wenn nicht eben fußballspezifisch.

BOCHUM: Zumdick - Kempe - Woelk, Kree - Oswald, Heinemann, Rzehaczek, Benatelli, Reekers (33. Legat) - Nehl, Leifeld

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Nachtweih, Grahammer Reuter, Dorfner, Thon, Eck (73. Kögl), Pflügler - Wohlfarth (73. Wegmann), Ekström