Demo als „Gefangenentransport“

■ Wanderkessel vor dem Verwaltungsgericht / Urteil in zwei bis drei Wochen

„Vielleicht ist der § 30 des Polizei-Gesetzes zu unbestimmt, vielleicht gar grundgesetzwidrig“, gab sich der Prozeßbevollmächtigte des Bremer Innensenators, Hans-Jörg Wilkens, am Ende der mündlichen Erörterung vor der Vierten Kammer des Bremer Verwaltungsgerichtes nachdenklich. (vgl. S.2) Der § 30 ist ein Unikum in der bundesdeutschen Polizeigesetzgebung, und geregelt werden soll damit Informationsbeschaffung durch die Polizei.

Die Möglichkeiten dieses Paragraphen bekamen mehr als 500 Demonstranten am 2. Juli 1985 zu spüren. Mit zwei Videorecordern filmten Polizisten über einen längeren Zeitraum Demonstranten, die gegen Munitionstransporte protestieren wollten. Zwei Demonstranten klagten vor dem Verwaltungsgericht, um feststellen zu lassen, daß diese Maßnahme ebenso rechtswidrig war wie die „einschließende Begleitung“, die die Polizei dem Demonstrationszug angedeihen ließ.

Auch wenn die Entscheidung des Gerichtes noch nicht verkündet wurde, die Klage hat gute Aussichten auf Erfolg. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im sogenannten Brokdorf-Urteil Grundsätzliches zur Demonstrationsfreiheit festgeschrieben, das dem weitreichenden § 30 des Polizeigesetzes widerspricht. „Es muß eine unmittelbare Gefahr bestehen. Auf Vorrat zu fotografieren, das geht nicht“, meinte gestern denn auch der Vorsitzende Verwaltungsrichter Hasso Kliese.

Die Polizei berief sich darauf, daß sie damals eine „aggressive Grundhaltung“ ausgemacht habe, zumal in den Tagen zuvor Gleise blockiert und Wände beschmiert worden seien. Dazu einer der Kläger, Rechtsanwalt Reinhard Engel: „Farbschmierereien gibt es vor jeder Demo. Das kann der Polizei nicht das Recht geben, alle Teilnehmer in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken.“ Und zum Charakter dieser Demonstration heißt es in der Klageschrift: Wie ein „Gefangenentransport.“

hbk