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Seniorentanz und Punkkonzerte

■ Selbstkritisches vom Bundeskongreß der soziokulturellen Zentren

Was tun, wenn der Punk mit „Haste mal ne Mark“ zur Werbenummer für Berlinbesucher wird? Wenn soziokulturelle Zentren zu „Produkttestern und Trendforschern“ für das Marktgeschehen verkommen und „kulturelle Marktlücken“ füllen? Die Frage nach der Entpolitisierung und Vereinnahmung durch die offizielle Kulturpolitik beschäftigte auf dem Bundeskongreß der soziokulturellen Zentren am letzten Wochenende in der Zeche Carl in Essen gleich mehrere Arbeitsgruppen. „Leute, helft Euch selber“, umschrieb Karl Homuth von der Berliner Hochschule der Künste das Motto der gegenwärtigen CDU-Politik. In diesen Rahmen passen, so Homuth, auch dezentrale, kleine Stadtteilzentren, die Drogenberatung und „kulturelle Farbtupfer“ zum Niedrigpreis liefern. Die Selbstverwaltung in diesen Häusern sei auch für die CDU keine Gefahr: sie wisse, daß sich dort Yuppies und Punks in endlosen Diskussionen nur selbst zerfleischten. Das Beispiel des geplanten Kölner Media -Parks, wo Dr. Karla Fohrbeck (die der Kongreß als Referentin eingeladen hatte) nach eigener Aussage Elemente der Soziokultur zur besseren Vermarktung des High-Tech -Projektes vorgeschlagen hat, lehrt einige der altlinken Stadtteilkämpfer das Fürchten. Tatsächlich lasse sich aber nur ein sehr kleiner Teil der Gegenkultur (vor allem Stadtteilfeste und Musik- oder Theaterfestivals) zur städtischen Imagepflege und Wirtschaftsförderung mißbrauchen, erklärte Gerd Dallmann, Mitglied des Bundesvorstandes der soziokulturellen Zentren. Und so machten viele Kongreßdelegierte auch nicht die Staatsknete, sondern die Konsummentalität der Besucher für die Entpolitisierung ihrer Zentren verantwortlich. „Du bist immer nur am rödeln, damit irgendwelche Leute irgendwas erleben“, klagte ein gestreßter Aktivist. Das Stadtteilzentrum diene den Yuppies lediglich als besonderes „Ambiente“, um dann mit „einem guten Gefühl“ wieder nach Hause zu gehen. Diskos, wie der „Wackeltreff“ in der Wuppertaler Börse, Cafes und Kneipen ermöglichen es einigen Stadtteilzentren, auch ohne staatliche Zuschüsse zu überleben. Aber sie saugen auch die meiste Kraft auf, mußten die haupt- und ehrenamtlichen Betreiber solcher Vergnügungsstätten selbstkritisch feststellen: es bleibe keine Zeit mehr, um eine Geschichtswerkstatt aufzubauen oder in aktuelle politische Konflikte einzugreifen. So haben einige Zentren angefangen, den Arbeitsaufwand für diese Konsumangebote durch straffere Organisation und Einstellung von Honorarkräften zu verringern. Ein Vorschlag, der aber in der Diskussion auf heftigen Widerstand stieß. Etliche Initiativen sehen mit der Einstellung einer Putzfrau und eines Geschäftsführers das Ende der Selbstverwaltung nahen. Zwar herrschte Einigkeit darüber, daß sich die alten Vorstellungen von Basisdemokratie - zumindest in den größeren Häusern - als „Phrasen“ erwiesen haben. Während aber einige Zentren daraus die Konsequenz ziehen, nach neuen Selbstverwaltungsstrukturen zu suchen, träumen andere von den „paradiesichen Trümmerzeiten“, als alle gemeinsam die Ärmel hochkrempelten. Diesen Wunsch, ewig am eigenen Haus herumzubasteln, kritisierte ein Delegierter als Angst vor dem „Nach-Außen-Treten“. Denn daß sich straffe Organisation und politische Radikalität keineswegs ausschließen, beweist das Beispiel der Essener Tagungsstätte. Weil jederzeit die Ruhrgebiets-Szene für die Zeche Carl auf die Straße gehen würde, kann sie - trotz öffentlicher Finanzhilfen Volkszählungsboykotteure und Angehörige von RAF-Häftlingen bei sich tagen zu lassen. Aber ob dieses Beispiel Schule machen soll, blieb während des Kongresses heftig umstritten.

Süster Strubelt

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