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Protestwelle legt Hochschulen lahm

■ Nach FU und TU jetzt auch Streiks und Besetzungen an den Fachhochschulen / Protestkundgebung von 400 Studenten vor dem Rathaus Schöneberg

Gestern abend demonstrierten etwa 400 Studenten vor dem Rathaus Schöneberg, währenddessen im Hause die Parteien über den Haushalt debattierten. Die Demonstranten forderten den Berliner Wissenschaftssenator Turner auf, sich der Diskussion mit ihnen zu stellen. Turner lehnte das ab. Etwa 30 Studis wurden dann in das Amtszimmer vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen vorgelassen. Die Polizei vertrieb unterdessen Demonstranten aus dem Vorraum und von der Treppe. Über das Gespräch mit Diepgen wollten sich die StudentInnen anschließend nicht öffentlich äußern, weil sie „kein Mandat“ hätten.

Unterdessen haben die Streiks und Besetzungen gestern auch die Fachhochschulen erfaßt: Die Technische Fachhochschule, die Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik sowie die Evangelische Fachhochschule wurden für besetzt erklärt. Auch in der Technischen Universität weitete sich der Streik aus. Mittlerweile werden über zehn Institute bestreikt. Gestern nachmittag kam das Biologie-Institut dazu. Der Direktor der Evangelischen Fachhochschule in Dahlem, die unter kirchlicher Verwaltung steht, drohte gestern damit, „von seinem Hausrecht Gebrauch“ zu machen, falls die rund 80 Studierenden, die das Gebäude besetzt halten, die Fachhochschule nicht verließen. Der Streik, der an der EFHS von rund 250 Studenten beschlossen wurde, würde „negative Konsequenzen bei der Scheinvergabe“ mit sich bringen, moserte er weiter.

An der Hochschule der Künste (HdK) traten gestern neun von elf Fachbereichen in den Streik. An einer Vollversammlung der HdK am Steinplatz nahmen etwa 800 Studenten teil. Die VV sprach sich für einen „aktiven Streik“ aus - alle Fachbereiche wollen selbstorganisierte Seminare veranstalten, die auch fachübergreifend genutzt werden sollen.

Auf scharfe Kritik stieß gestern der Auftritt zweier studentischer Mitglieder des FU-Kuratoriums, die im Gespräch mit der Presse gefordert hatten, Verhandlungen zwischen Studentenschaft und Uni-Leitung bzw. dem Senat nicht vom Rücktritt Turners und Heckelmanns abhängig zu machen. Der AStA wertete den Auftritt als „Spaltungsversuch des sich entwickelnden Widerstandes“. Die beiden Studenten gehören dem konservativen „Sozialliberalen Hochschulverband“ an. Für heute, Freitag, sollen ab 15 Uhr vor allem in der U -Bahnlinie7 öffentliche Seminare stattfinden. Für heute abend ist eine weitere Vollversammlung in der Freien Universität geplant.

Auch an den Schulen tut sich was: So haben Schüler der Kopernikus-Gesamtschule in der Rostlaube jetzt einen Schülerraum eingerichtet. Am Samstag ab 16 Uhr sind alle Schüler zu einer offenen Diskussion mit den Studenten eingeladen, um sich über mögliche Solidaritätsaktionen zu informieren.

ccm/RiHe/anja

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