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„Beim Einkaufen die (Fahr)Karten auf den Tisch!“

Ein Kölner Möbelhändler erstattet seinen Kunden einen Teil ihrer Fahrkarten und erntet Lob und eine Klage  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Kleiner Anlaß, großer Effekt. So könnte einmal das Fazit einer Umwelt-Initiative lauten, die ein Kölner Einzelhändler listig mitten hinein in das städtische Weihnachtsverkehrs-Chaos plazierte. Das Motto: „Beim Einkaufen die Karten auf den Tisch!“ Das Angebot: Ein Fahrkostenzuschuß von 1.50 Märkern für jeden Kunden, der statt mit dem eigenen fahrbaren Untersatz mit Bus und Bahn zum Konsumieren anreist.

Johannes Genske, „Biomöbel„-Verkäufer mit Filialen in Köln und Bonn, will seinen Vorstoß als „ökologische Alternative“ zu der gängigen Praxis verstanden wissen, die Autofahrermassen mit der Erstattung von Parkgebühren für von ihnen verursachten Smog und Verkehrsstillstand in den Innenstädten zu entlohnen.

Natürlich verspreche er sich von der Initiative auch einen „langfristigen Imagegewinn“, gibt Genske freimütig zu, eine Belebung des aktuellen Weihnachtsgeschäftes sei indes - bei monatelangen Lieferzeiten in seinem Metier - von vorneherein nicht zu erwarten gewesen.

Belebt hat Genskes bundesweit wohl einmaliger Vorstoß inzwischen Verhandlungen zur „Gleichstellung“ von Straßenbahnbenutzern und Autofahrern, die seit Jahren zwischen den städtischen Verkehrsbetrieben und dem Einzelhandelsverband vor sich hindümpeln. Heute erntet Genske Lob von (fast) allen Seiten: Die Parteien von schwarz bis grün sind dafür, der Kölner Oberbürgermeister „steht hinter uns“ (Genske), die Verkehrsbetriebe sind voll des Lobes. In Bonn und Köln wollen inzwischen mehr als zwei Dutzend Einzelhändler ihr Image ebenfalls ökomäßig aufpolieren und ihren Kunden einen Teil ihrer Bahn- und Busfahrkarten erstatten. Selbst der erzkonservative Bonner „City-Ausschuß“, ohne den im Einzelhandelsverband der Stadt nichts geht, schwenkt mit wehenden Fahnen auf Genskes Umwelt -Linie ein.

Aber halt: Da gibt es noch den „Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln e.V.“. Statt mit Lobeshymnen überraschte der Verein, der auch schon mal gegen unseriöse Bio-Werbung einschreitet, Genske mit einer Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsgesetz und der Drohung mit einer Vertragsstrafe über 5.100 Mark. Bei „unbelasteter Betrachtungsweise“, sagt Jürgen Löhr, Geschäftsführer des Vereins, „ist das, was Genske macht, Werbung“ - und zwar unlautere Werbung „gegen die Vorschriften des Rabattgesetzes“. Dies gelte es grundsätzlich zu klären.

Genske seinerseits will sich „durch die Strafandrohung nicht mundtot machen lassen“ und seine Idee notfalls bis zum Bundesgerichtshof verteidigen. Und er will weiter träumen: daß eines Tages die Kommunen einen Teil der Fahrkartenerstattung zahlen - aus dem Topf „Parkhäuser in der Innenstadt“.

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