Ruhe-Geld

Zur Funktion des 20-Millionen-Uni-Überlastprogramms  ■ K O M M E N T A R

Daß das Abgeordnetenhaus nach kaum einer Woche Studentenstreik ein Überlastprogramm von 20 Millionen Mark beschließt, ist ein schöner Beweis für den Schreck, der den Damen und Herren in die Glieder gefahren ist. Noch am Dienstag hatte Senator Turner mit der ihm eigenen Arroganz und Ignoranz die Forderung nach einem Überlastprogramm für „überholt“ erklärt. Nun werden also 1989 vermehrt Tutoren eingestellt und Lehraufträge vergeben werden können. Aber es ist nicht einmal sicher, daß die benötigten Assistenten eingestellt werden können. Das Notprogramm ist auf ein Jahr angelegt, Assistenten müßten hingegen Mehrjahresverträge bekommen. Die 20 Millionen sind ohnehin nur ein Vorgriff auf die angekündigte Bund-Länder-Hilfe zum Abbau der schlimmsten Uni-Engpässe. Insofern sind sie nichts anderes als der Beleg, daß der Senat einfache Rechenaufgaben lösen kann, keinesfalls ein eigener Beitrag zur Lösung der Hochschulkrise. Im Rathaus Schöneberg regiert die Angst vor andauernden Unruhen an den Hochschulen. Schließlich stehen die Wahlen vor der Tür. Daher die moderate Reaktion auf die Streikbewegung. Einfach nur, wie sonst üblich, Polizeigewalt einzusetzen, verbietet sich in solchen Zeiten. Aber so einfach werden sie die streikenden Studenten nicht ruhigstellen können, denn aus dem Streik ist mehr geworden als nur ein Kampf um zusätzliche Gelder. Die Lernerfahrungen, die die Streikenden mit ihren autonomen Seminaren machen, geben dem Streik eine neue Qualität: Sie haben sich Freiraum erobert, um erforschen zu können, warum die Uni-Situation so desolat ist. Und da dies angesichts der Wissenschaftspolitik ein weites Feld ist, dürfte die Rechnung kaum aufgehen.

Winfried Sträter