Zwietracht in der Wagenburg

Etwas mehr als eine Woche nach der überraschenden Abreise der südafrikanischen Delegation aus der kongolesischen Hauptstadt Brazzaville sollen heute die Verhandlungen über die Unabhängigkeit Namibias und den Abzug der kubanischen Truppen aus Angola weitergehen. Zwar hatte das Apartheid -Regime noch letzte Woche neue Bedingungen gestellt, Beobachter in Brazzaville rechnen jedoch noch diese Woche mit der formellen Unterzeichnung eines Protokolls durch die Regierungen von Kuba, Angola und Südafrika.

Der Zeitplan, den alle Beteiligten Mitte November in Genf akzeptierten, sieht einen 27 Monate dauernden schrittweisen Rückzug der Kubaner aus Angola vor. Parallel dazu wird der UNO-Plan für die Unabhängigkeit Namibias, die Resolution 435, in Kraft treten. Mit ersten Wahlen in dem seit mehr als 70 Jahren von Südafrika besetzten Gebiet wird im September 1989 gerechnet.

Südafrika hatte vorletzte Woche zur Verifizierung des Zeitplans neben einer gemeinsamen Kommission mit Kuba und Angola ein als Schlichtungsinstanz beschriebenes Gremium vorgeschlagen, an dem sich zusätzlich noch die USA und die UdSSR beteiligen sollten. Diesen Vorschlag hat Kuba offenbar strikt abgelehnt. Diplomatischen Kreisen zufolge soll jetzt statt dessen der Weltsicherheitsrat - in dem die USA und UdSSR ebenfalls vertreten sind - als letzte Instanz die Einhaltung des Abkommens garantieren.

Doch Südafrikas überraschende Einwände gegen die Verifizierungsmechanismen sind in der letzten Woche sogar von US-Diplomaten als vorgeschoben beschrieben worden. Immerhin ist die US-Regierung, die die Verhandlungen vermittelte, bereit, ihre Aufklärungssatelliten zur Überwachung des Planes einzusetzen und diese Daten den Südafrikanern zur Verfügung zu stellen. Beobachter meinen deshalb, daß andauernde Differenzen innerhalb des südafrikanischen Regimes zu der Verzögerung geführt haben. Außenminister Roelof „Pik“ Botha und seine Diplomaten haben ein starkes Interesse daran, mit Unterzeichnung des Abkommens einen diplomatischen Erfolg zu erzielen. Im Militärapparat hingegen gibt es Widerstand gegen das Abkommen. Zwar stehen Verteidigunsminister General Mangus Malan und der Leiter des Heeres, General Jannie Geldenhuys, hinter dem Abkommen. Geldenhuys war ständig Mitglied der südafrikanischen Delegation bei den Verhandlungen. Doch im Offizierskorps überwiegen die Gegner gegen Bothas Kompromißpolitik. Immerhin würde Südafrika nach der Unabhängigkeit Namibias erstmals ausschließlich an seinen eigenen Grenzen gegen schwarze Guerillas kämpfen müssen. Zudem würden die rechten UNITA-Guerillas unter Jonas Savimbi, die mit südafrikanischer Unterstützung gegen die angolanische Regierung kämpfen, isoliert werden.

Der einzige greifbare militärische Erfolg, den das Abkommen mit sich bringen würde, wäre die Schließung der ANC -Ausbildungslager in Angola. Es ist jedoch noch nicht klar, ob das Abkommen tatsächlich eine solche Konsequenz haben würde. Südafrika und Angola interpretieren bisherige Abmachungen offenbar auf unterschiedliche Weise.

Differenzen zwischen südafrikanischen Diplomaten und Militärs wurden in den letzten Wochen auch in Mosambik erneut deutlich. Außenminister Botha feierte ein Abkommen mit dem Nachbarland, das den gemeinsamen Schutz der Hochspannungsleitung vom Cahora Bassa Wasserkraftwerk in Mosambik nach Südafrika vorsieht. Die Südafrikaner haben sogar „nicht-lethale“ Militärhilfe im Wert von 7 Millionen Mark an Mosambik gewährt. Die erste Lieferung von Lastwagen, Kleidung und Medikamenten wurde vor kurzem im mosambikanischen Hafen Beira angeliefert. Das Abkommen sieht vor, daß alle Beteiligten, also auch Südafrika, gemeinsam die Sicherheit der Hochspannungsleitungen garantieren. Da weder Mosambik noch Südafrika ein Interesse daran haben, südafrikanische Soldaten auf mosambikanischem Gebiet zu stationieren, einigte man sich auf diese Form der Militärhilfe.

Gleichzeitig geht unter der Hand die aggressive Destabilisierungspolitik weiter. Rechtsradikale Militärs unterstützen weiterhin die schon seit Jahren von Südafrika unterstützen RENAMO-Rebellen, die u.a. mit Anschägen die Hochspannungsleitung des Wasserkraftwerks in Mosambik lahmgelegt haben. Auch in Angola zeichnet sich eine derartige Entwicklung ab. Zahlreiche UNITA-Rebellen haben sich in den letzten Wochen nach Namibia zurückgezogen und sorgen für Unruhe unter der Bevölkerung. Außerdem wird die berüchtigte „Koevoet„-(Brecheisen“) Sondereinheit der Polizei in Namibia rapide ausgebaut.

Hans Brandt, Johannesburg