: St.-Jürgen: Hut ab, Herr Staatsrat
■ Hans H. Euler, Brückners Vertreter im Amt, vorm Untersuchungsausschuß
Erst hatten wir den aufgebracht empörten, dann den persönlich beleidigten Politiker vor dem St.-Jürgen -Ausschuß. Nach Henning Scherf und Herbert Brückner war gestern dessen ehemaliger Stellvertreter Hans Helmut Euler auf das Zeugenstühlchen geladen, und der versuchte es zur Abwechslung mal mit souverän-hemdsärmeliger Sachlichkeit.
Als „jüngster Staatssekretär der Bundesrepublik“ war der gelernte Doktor med. des Inneren 1976 nach Bremen gekommen, um dem recht frischgebackenen Gesundheitssenator Brückner als dessen Stellvertreter zu assistieren und unter anderem auch dem gerade eingestellten St.-Jürgen-Verwaltungsdirektor Aribert Galla nötigenfalls auf die Finger zu sehen. In Ärztekreisen hatte Eulers Polit-Karriere damals für Furore gesorgt. Als „Revolutionär mit Pensionsberechtigung“ kündigte das Ärzteblatt seinerzeit Eulers Wechsel in die Gesundheitsbehörde an, eine Bewertung, gegen die Euler sich vergeblich gerichtlich zu verwahren suchte. Dem weiterhin steilen Aufstieg Eulers tat das „ehrabschneiderische“ (Euler) Revoluzzer-Image keinen Abbruch. 1985 wechselte Euler „nach neun glücklichen und erfolgreichen Jahren“ als oberster Bremer Politik-Berater in die Senatskanzlei von Bürgermeister Wedemeier, brachte es 1988 sogar zum taz -Eintags-Gastchefredakteur, ehe er im letzten Monat seinen Staatsrats-Posten „wg. St.-Jürgen“ hinschmiß, um ihn unmittelbar anschließend „kommissarisch“ weiterzuversehen.
Falls der Staatsrat a.D. seinen gestrigen Auftritt vor dem Ausschuß selbst als Auftakt einer neuen Karriere verstanden haben sollte: Hut ab, Herr Staatsrat a.D. Mag es nun an dem artigen Diener des Staatsrats gelegen haben, mit dem er blanko und vorab die politische Verantwortung für alle Fehler der Gesundheitsbehörde während seiner Amtszeit übernahm, oder an der Vorweihnachtsmilde, mit der der Ausschuß gestern seine Routine-Fragen nach Gallas Planungsschlampereien (Euler: „sehr ärgerlich“), nach dem schwunghaften Blutplasmahandel der Klinik (Euler: „Wußte ich nicht, gehört sich aber nicht“) und nach möglichen Privatkontakten mit „Ari“ Galla (Euler: „Gab es nicht“) herunterhaspelte - Euler lieferte die solide Vorstellung eines loyalen Spitzenbeamten mit Teamgeist, Macherqualitäten, Glauben an das Gute im Beamten: „Wenn einer es wirklich auf korrupte Geschäfte anlegt, sind Sie eh machtlos, das können Sie auch durch noch so viele Erlasse nicht verhindern.“
Immerhin war Euler Anfang der 80er fast so weit gewesen, sich selbst als „Staatskommissar“ in die Klinik abzuordnen und „Verwaltungsdirektor Galla eng an die Hand zu nehmen“. Der Plan scheiterte aus zwei Gründen: Erstens hätte ein „Staatskommissar“ im ständigen Pflegesatz-Streit mit den Krankenkassen als Eingeständnis von Klinik-Schlampereien gewirkt. Zweitens wechselte Euler 1985 in Wedemeiers Senatskanzlei. Wie dankbar Wedemeier seinem Staatsrat dafür auch heute noch ist, beweist eine Erklärung des Bürgermeisters unmittelbar nach der gestrigen Ausschußsitzung: Darin wertete Wedemeier seinen Ex -Kanzleichef als „rehabilitiert“.
K.S.
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