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■ Oswald Mathias Ungers‘ „Torhaus“ zur Friedrichstadt

Es heißt, gute Regisseure drehten immer denselben Film. Die Originalität liege in der Variation des Themas. Von Literaten und Komponisten behauptet man das auch. Von guten, wohlgemerkt.

In der Architektur nimmt O.M.Ungers dieses Kompliment für sich in Anspruch. Sein Thema ist die geometrische Figur des Quadrats. Das ist kosmisches Terrain. Zu einem großen Theoretiker und Baumeister stilisiert sich Ungers mit seinen Variationen bei der Thematisierung der Architektur. Wie Schinkel beruft er sich auf die Transformation des künstlerischen Zitats, um auf die Durchbrechung der baulichen Typologie abzuzielen. Das ist postmodernes Terrain.

Sein neues „Torhaus“ am westlichen Eingang zur Friedrichstadt an der Köthener/Ecke Bernburger Straße relativiert diese Ambitionen. An prominenter Stelle, hinter der ehemaligen historischen Stadtmauer, zwischen Potsdamer und Anhalter Tor gelegen, wo schon Moses Mendelssohn um Einlaß betteln mußte, tut Ungers‘ Bau einen doppelten Mißgriff in die postmoderne Trickkiste: Historisch treibt das Haus ein böses Spiel hinter der sich aufklärerisch gebenden Maske. Architektonisch bemüht der Torbau ein mittelalterliches Zitat, um sich bürgerlich zu geben.

Um einen quadratischen Innenhof erheben sich gleichmäßig acht viereckige Türme. Zu einem geschlossenen Baukörper wird das sechsstöckige Ensemble durch verbindende Galeriebrücken ab der vierten Etage. Die eigenständigen Mittel- und Eckblöcke treten damit zurück auf das Niveau der Wand und tarnen die Turmform. Fenster und Fensterrahmen setzen den Rhythmus des Quadrats an der Außenwand fort. Die Innenhofplatten, so Ungers‘ Plan, multiplizieren die geometrische Figur ins Hundertfache. Die vorgeklebte kackbraune Klinkerfassade ist zwar backsteinrechteckig strukturiert und als Reminiszenz an die Ziegelbauten der Berliner Backsteinarchitektur zu verstehen, meint aber in seiner Großform, durch die gleichseitige Zeichnung verbreiterter Fugen, ebenfalls das Quadrat.

Ungers hat mit dem IBA-Komplex Tieferes im Sinn: Architektonisch steht der Torbau als Metapher für den Block als Häuserblock, für das Haus als Stadt, mit geschlossenen Formen und erweiteren Eingängen. Symbolisch ist es ein Planspiel Berliner Geschichte, wo nach wie vor alle Tore geschlossen sind und nur erschwert Ein- und Auslaß gewährt wird.

Dennoch stellt der Torbau das Gegenteil von dem dar, was er meint. In seiner quadratischen Klotzigkeit erinnert er an eine blockhafte Wehrburg, die dem Zugang zur Friedrichstadt keine Aufwertung gibt. Der Durchlaß suggerierende Kubus benutzt seine Form zur gedrungenen Massigkeit. Die Fassaden simulieren Egalität, sind jedoch ruppig. Die Idee der Offenheit verkommt so zur Mauerpolitik, die die Dialektik zwischen innen und außen konservativ interpretiert. Dynamisch wäre eine Architektur, die nicht Zitate des Blocks und der ummauerten Stadt heranzieht, sondern sie überwindet. Die Ausgangsform, das Quadrat, bleibt wie das Zitat zugleich Endform. Das Thema ist stabil, es wird nicht variiert. Schon Ungers‘ erster Bau, ein kleines Einfamilienhaus in Köln, hat das Quadrat zum Grundriß. Und, schaut man genauer hin, hat er es selten verlassen.

Zum Quadrat kommt die Zahl durch Multiplikation zweier gleicher Faktoren. Eine Variation versucht schon mal die Quadratur des Kreises.

rola

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