Aachener Grüne fegten den Wald

Die Öko-Partei gewann praktisches Profil, der Aachener Stadtwald verlor zentnerweise Dreck / Mit Volkszählungsboykott und Amtsgerichtsbeschluß gegen das ökologische Ungleichgewicht  ■  Aus Aachen Bernd Müllender

Nicht reden, sondern handeln - praktisch zupacken, statt immer nur zu schwätzen und alles zu kritisieren. Endlich konnten die Grünen, ein Jahrzehnt fast nach ihrer Gründung, mit eigener Hände Arbeit das schaffen, was sie sonst nur lauthals fordern: eine saubere Umwelt.

Früh am Samstag morgen waren zwei Dutzend AktivistInnen der Öko-Partei im Aachener Stadtwald zusammengekommen, um mit Picker und Müllsack das ökologische Ungleichgewicht nachhaltig zu beseitigen: Sie sammelten Dreck. Begleitet wurden sie von einem beachtlichen internationalen Medientroß und einem Forstrat als Einsatzleiter, dessen weißer Vollbart recht ansehnlich an seinen Kollegen aus dem Silberwald erinnerte. Initiator der sauberen Aktion war der Aachener Amtsrichter Brandt. Der hatte am 26.September die Grünen im Rat und in den Bezirksvertretungen kollektiv dafür verantwortlich gemacht, daß in den 'Grünen Blättern‘ Anfang 1988 angeblich zum Boykott der Volkszählung aufgerufen worden war. Eine böse Verfehlung der acht Angeklagten, die mit Arbeitsdienst bestraft wurde: pro grüne Nase „16 Stunden Arbeit nach Weisung des Forstamtes zur Reinigung von Waldflächen“. Kleine juristische Ungenauigkeiten - der emsige Staatsanwalt hatte zwei wegrotierte Stadträte übersehen, dafür zwei neue fälschlich angeklagt - glichen Parteifreunde basisdemokratisch aus: Zahlreiche Kreisverbände aus der Umgebung hatten sich den Verurteilten gegenüber als genauso schuldig erklärt und waren als Gelegenheitsmüllmenschen angerückt, „um Euch bei Eurem Waldfegen personell und ideell (zu) unterstützen“.

Sie fegten und pickten fünf Stunden lang, fanden vielerlei Hinterlassenschaften rheinischer Wandersleut‘, wie Kanister und Klodeckel, einen Campingtisch und drei Autoreifen, und räumten Coladosen, Plastik und Papier aller Art beiseite. „Die größten Schweine“, so Fraktionsgeschäftsführer Schabram, machte er unter den Soldaten aus, denn „rund um die militärischen Sperrgebiete war alles voll mit Dreck, McDonalds-Plastik und mengenweise Bierdosen“. Ursula Schwarzenberger, gerade abgewählte Frau aus dem Bonner Bundesvorstand, war zu körperlicher Hilfe angereist: „Kaffee und Schmalzbrote für die Basis“, freute sich Schabram, „zum ersten mal was Positives.“ Am Ende hatten sie, darunter die 70jährige Bezirksvertreterin Waltraud Hoven, etliche Zentner in 20 großen Säkken beisammen. „Eine sehr gute Ausbeute“, lobte Forstrat Spies, der nicht immer so verständige Städter bei sich begrüßen kann. Als er kürzlich dem Aachener Oberbürgermeister Malangre (CDU) die Waldschäden erläutern wollte, konterte der OB mit dem naturkundlichen Hinweis, im Herbst werde doch alles braun. Spies mußte ihn korrigieren, daß dies für Nadelbäume im allgemeinen nicht gelte.

Ob Laub oder Nadel: Soll noch jemand sagen, der Boykott der Volkszählung (in Aachen laut Grüne 9 Prozent) sei staatsgefährdend und verwerflich gewesen. Nur so ward der sterbende Wald, sozusagen als letzte Ölung, blankgeputzt und dreckbefreit, und das auch noch zur Weihnachtszeit.