Papandreou nur Sieger nach Punkten

Der griechische Ministerpräsident zwang mit seiner Rücktrittsdrohung die Kritiker in der eigenen Partei, für den Haushaltsentwurf 1989 zu stimmen / „Integre“ PASOK-Politiker rücken wegen der Gerüchte über einen neuen Skandal von ihrem Regierungschef ab  ■  Von Niels Kadritzke

Berlin (taz) - Der griechische Ministerpräsident Papandreou hat am Sonntag ein „Vertrauensvotum“ im Parlament für sich entschieden. Die Existenzkrise seiner PASOK-Regierung aber ist damit noch längst nicht überwunden. Daß er vor der fälligen Abstimmung über den Staatshaushalt 1989 erklärt hatte, im Falle einer Niederlage werde er zurücktreten, war ein geschickter taktischer Zug. Denn nur bei einer solch offenen Abstimmung konnte er sich eines geschlossenen Votums der PASOK-Fraktion sicher sein. Mit seiner Rücktrittsdrohung hat er überdies die Dissidenten in der eigenen Partei gezwungen, für den Haushalt zu stimmen. Ein Sturz der Regierung hätte nach dem bestehenden Mehrheitswahlrecht Neuwahlen bedeutet. Die Papandreou-Kritiker, die auf eine „Reinigung“ der eigenen Partei aus sind, verlangen aber vor den Neuwahlen die Einführung des Mehrheitswahlrechts, wie es auch sämtliche anderen griechischen Parteien fordern. Nur unter dieser Voraussetzung kann ihr politisches Konzept aufgehen, angesichts der Popularitätsverluste der PASOK eine Regierungskoalition mit der neuformierten Linken anzustreben.

Mit seinem „Vertrauensvotum“ hat er seinen Hals noch einmal aus der Schlinge gezogen. Damit hat er als Parteitaktiker überlebt, als Regierungschef ist er jedoch am Ende. Aus seinem erst vor ein paar Wochen umgebildeten Kabinett sind bereits sieben Minister wieder ausgeschieden. Besonders empfindlich hat ihn der Rücktritt des stellvertretenden Verteidigungsministers Jotas getroffen. In dessen Begründung ist von „Abenteurern und Betrügern“ die Rede, die sich an öffentlichen Geldern bereichern. Damit spielte er auf einen neuen Korruptionsfall an, der sich am Horizont abzeichnet und noch skandalösere Ausmaße annehmen kann als der Koskotas -Skandal. Bei der Anschaffung der „Mirage-2000“ für die griechische Luftwaffe soll das Verteidigungsministerium auf die Rechnung der Franzosen fünf Prozent aufgeschlagen haben, die in der engsten Umgebung von Papandreou versickert sein sollen. Der Verdacht, daß sich PASOK-Größen derartige „Kommissionen“ bei Waffengeschäften angeeignet haben, ist bereits im Zusammenhang mit den Waffenexporten der staatlichen Rüstungsfirmen aufgetaucht, die im übrigen das progressiv-friedensengagierte Image der Athener Regierung stark beeinträchtigt haben. Denn die Lieferungen gingen nicht nur in das Kriegsgebiet am Persischen Golf, sondern auch nach Südafrika.

Angesichts dem beschleunigten Abrücken „integrer“ PASOK -Politiker stellt sich die Frage, warum die Parteiführung ihren Durchhaltekurs immer noch unbeirrt fortsetzen kann. Jotas hat in seiner Rücktrittserklärung von einer „faschistisch inspirierten Mentalität“ gesprochen und damit vor allem auf die Propaganda der Zeitung 'Avriani‘ angespielt, die von Papandreous engstem Vertrauten Koutsojorgas gelenkt wird. Wenn in dieser Zeitung die parteiinternen Kritiker als gekaufte Verräter denunziert werden, so ist dies nur der krasseste Ausdruck für ein Regime, das Kritik von unten nur als Untreue gegenüber der Führungspersönlichkeit Papandreous sehen kann. Eine demokratische Partei konnte sich im Schatten dieses Führerkults nie entwickeln. Der letzte Parteitag der PASOK hat 1984 stattgefunden. Nicht einmal das damals gewählte Zentralkomitee, das zu 95 Prozent aus Papandreou-treuen oder -abhängigen Politikern und Bürokraten besteht, hat bis heute eine Diskussion über die Krise der Partei genehmigt bekommen. So zwingt man innerparteiliche Kritiker, sich außerhalb der PASOK zu artikulieren - um sie des Hochverrats am Partei- und Regierungsoberhaupt bezichtigen zu können.

Daß die PASOK strukturell unfähig ist, ihre Krise von innen, also von unten zu bereinigen, hat auch für die politische Perspektive der griechischen Linken fatale Konsequenzen. Gewiß wird der Abschluß eines Wahlbündnisses zwischen den orthodoxen Kommunisten der KKE und der vormals eurokommunistischen „Griechischen Linken“ die parlamentarische Repräsentanz der Linken beträchtlich verstärken. Optimisten rechnen mit einem Stimmanteil von mindestens 20 Prozent. Aber eine realpolitische Chance, den 1989 drohenden Wahlsieg der Konservativen Nea Democratia zu verhindern, existiert nur bei einer Koalition mit einer „erneuerten“ PASOK. Ein solches Bündnis beinhaltet aber für die neuformierte Linke ein übles Dilemma: Erstens wird sie um so mehr Stimmen von PASOK-Wählern erben können, je hoffnungsloser die heutige Regierungspartei in ihre selbstproduzierte Skandale verstrickt bleibt. Und zweitens werden nicht alle Anhänger der Linken glauben, daß eine PASOK ohne Papandreou schon eine geläuterte Partei darstellt.