„Wir werden nie mit der UNITA verhandeln“

Während gestern in New York das Angola-Namibia-Abkommen unterzeichnet wurde, geht in Angola der Krieg zwischen den von Südafrika und USA unterstützten UNITA-Rebellen und den Regierungstruppen weiter / An Frieden will niemand glauben  ■  Aus Luanda Rolf-Henning Hintze

Der Pilot des kleinen Flugzeugs nach Cuito, der Hauptstadt der angolanischen Zentralprovinz Bie, wagt keinen normalen Landeanflug mehr. Er kreist eine Weile über der Stadt und bewegt sich in einer Spiralbewegung erdwärts, ehe er die Maschine auf dem schwer bewachten Rollfeld aufsetzt. Cuito selbst und sein unmittelbarer Umkreis werden zwar von der FAPLA, der angolanischen Regierungsarmee, kontrolliert, aber schon wenige Kilometer weiter ist die Lage unsicher. Niemand kann garantieren, daß hier nicht Trupps der UNITA-Rebellen auftauchen. Mit ihren Stinger-Raketen aus den USA ist es ihnen wiederholt gelungen, Flugzeuge abzuschießen, einschließlich Maschinen des Roten Kreuzes mit Hilfsgütern.

In Bie und der Nachbarprovinz Huambo ist die von Südafrika und den USA unterstützte UNITA besonders stark. Beide Gebiete gehören zum fruchtbaren zentralen Hochland Angolas, das sich hervorragend für den Guerillakrieg eignet. Hier ist auch das Ovimbundu-Volk beheimatet, dem Rebellenführer Jonas Savimbi angehört und aus dem sich die UNITA überwiegend rekrutiert.

Die berühmte Benguela-Eisenbahn, die früher nicht nur Kupfer aus Zaire und Sambia in die Atlantikhäfen Lobito und Benguela brachte, sondern auch landwirtschaftliche Produkte aus Bie und Humambo, ist von den Rebellen längst zum Stillstand gebracht worden. Zwischen den angerosteten Gleisen der Bahnstation von Cuito wächst inzwischen das Unkraut. Noch ernster aber ist, daß auch der Lastwagenkonvoi, der einmal im Monat unter massivem Militärschutz nach Cuito kommt, nicht mehr sicher ist. Kürzlich geriet ein solcher Konvoi in einen UNITA -Hinterhalt: 57 von 80 Lastwagen wurden dabei zerstört. Die Versorgung mit Medikamenten, Lebensmitteln usw. ist seitdem noch schwieriger.

In einer Siedlung am Rande von Cuito lebt der 42jährige Bauer Justo Ngundi. Nie wieder wird er seine Felder selbst bestellen können, denn vor sechs Jahren hat ihm die UNITA beide Hände abgehackt. Zur Strafe dafür, daß er in einem staatlichen Laden Lebensmittel einkaufen wollte, berichtet er. Die UNITA sah darin eine Unterstützung der MPLA -Regierung. Vorrangiges Ziel der UNITA ist es, die Wirtschaft des Landes so nachhaltig zu schwächen, daß die Regierung eines Tages nachgibt und Verhandlungen zustimmt. Die Rebellen versuchen, die relativ dicht bevölkerte Küstenregion vom Hinterland abzuschneiden, vor allem von der Belieferung mit Mais, Maniok, Süßkartoffeln und Gemüse, und weitgehend gelingt ihr das. Sogar Kaffee, einst eines der angolanischen Hauptexportprodukte, muß heute zum Teil importiert werden.

Die UNITA hat durch nächtliche Überfälle auf Dörfer, bei denen wahllos geschossen und geplündert wird, und durch das Verminen von Feldern Hunderttausende von Bauern aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Die UNO beziffert die Gesamtzahl der „displaced people“ in Angola auf 1,5 Millionen (von einer Bevölkerung von insgesamt 8,5 Mio.). „Selbst wenn der Krieg eines Tages aufhört, werden noch jahrelang Menschen durch Minen verletzt werden oder sterben“, meint ein Mitarbeiter eines Flüchtlingsprojekts der Deutschen Welthungerhilfe in der Provinz Kwanza Sul. (In diesem bisher einzigen Projekt einer bundesdeutschen Hilfsorganisation wird mit einigem Erfolg versucht, 35.000 Flüchtlinge in verschiedenen Siedlungsgebieten wenigstens wieder zu Selbstversorgern zu machen.)

Die meisten Angolaner rechnen nicht damit, daß die in Brazzaville erreichte Einigung zwischen Südafrika, Angola und Kuba dazu führen wird, daß der Krieg mit der UNITA nun bald zu einem Ende kommen wird. Obwohl sich Südafrika in dem Abkommen verpflichtet hat, feindliche Organisationen in Angola nicht länger zu unterstützen, stimmen fast alle Beobachter darin überein, daß Südafrika die Rebellenbewegung vorsorglich so stark mit Waffen und Munition beliefert hat, daß diese den Krieg noch lange im gleichen Umfang fortführen kann. Und von allergrößtem Gewicht ist die Ankündigung des designierten US-Präsidenten Bush, die von Reagan eingeleitete materielle Unterstützung der USA für die UNITA fortzusetzen. Gerade angesichts dieser düsteren Aussichten wird immer wieder die Frage gestellt, ob nicht die angolanische Regierung doch vielleicht eine Verhandlungslösung mit den Rebellen erreichen könnte. Lucio Lara, heute angolanischer Parlamentspräsident und unter dem ersten Präsidenten Angolas, Agostinho Neto, Generalsekretär der MPLA, schließt diese mit dem Hinweis auf die politische Abhängigkeit der UNITA kategorisch aus. Er sagt, der militärische Geheimdienst Südafrikas habe die UNITA, nachdem sie militärisch bereits geschlagen worden sei, zu einer südafrikanischen Ergänzungsarmee aufgebaut, ähnlich wie die mosambikanische Renamo. „Sie ist ein Instrument ausländischer Interessen, deshalb werden wir niemals mit der UNITA verhandeln.“ Lara rechnet jedoch damit, daß Südafrikas Rückzug aus Namibia auf längere Frist zu einer empfindlichen Schwächung der Rebellen führen wird und daß die Regierungstruppen, wenn von der Südgrenze keine südafrikanischen Gefahren mehr drohen, aus eigener Kraft in der Lage sein werden, die UNITA militärisch zu besiegen. Diese Einschätzung begründet Lara auch damit, daß die Rebellen in der Bevölkerung keinen größeren Rückhalt hätten. „Unser Volk hat zu einer Organisation, die nur zerstört, alles Vertrauen verloren“, sagt er.

Wirtschaftlich wäre Angola unter der Last all seiner Probleme vermutlich längst zusammengebrochen, besäße es nicht die nördliche Enklave Cabinda mit ihren reichen Ölvorkommen. Ein US-Ölunternehmen, das hier bereits seit der portugiesischen Kolonialherrschaft im Geschäft ist, fördert inzwischen täglich rund 250.000 Faß hochwertigen Öls und sichert dem Staat damit finanziell das Überleben. In Cabinda werden die amerikanischen Produktionsanlagen groteskerweise ausgerechnet von kubanischen Truppen geschützt, jenen Truppen, deren Abzug die USA seit vielen Jahren fordern, und den sie sogar zur Vorbedingung für die Unabhängigkeit Namibias gemacht haben.