Erhebliche Auswirkungen auf Revision

Der Rechtsanwalt Wolfgang Panka ist von Anfang an als Verteidiger im Schmücker-Verfahren tätig Er vertritt den Angeklagten Söhnke Löffler, der in allen drei Verfahren zu vier Jahren Haft verurteilt wurde  ■ I N T E R V I E W

taz: Während des ersten Schmücker-Prozesses hatte der Verfassungsschutz in der Kanzlei deines Kollegen Rechtsanwalt Philipp Heinisch einen V-Mann plaziert. Was konnte der dort ausspionieren?

Wolfgang Panka: Diese Verfahren waren ja - und sind es bis heute - Indizienprozesse, in denen alle Verteidiger eng zusammengearbeitet haben und ein gemeinsames Verteidigungskonzept entwickelt hatten. Das betraf natürlich nicht die Verteidiger des aussagewilligen Mitangeklagten Jürgen Bodeux. Material gegen dessen Glaubwürdigkeit zu finden und die Rolle des Verfassungsschutzes in diesem Verfahren herauszufinden, war die Hauptaufgabe der Verteidigung. Die Ergebnisse dieser Recherchen haben selbstverständlich auch in der Kanzlei des Kollegen Heinisch gelegen.

Innensenator Kewenig räumt auch ein, daß die Verteidigungsstrategie den Vertretern der Anklage, den Staatsanwälten Jürgen Przytarski und Wolfgang Müllenbrock, vom Verfassungsschutz quasi frisch auf den Tisch geliefert wurde. Hat die Verteidigung sich nicht des öfteren gefragt, woher die Staatsanwaltschaft so gut informiert war?

Nein, denn einen Teil unserer Konzeptpapiere hatte sich die Staatsanwaltschaft bereits durch direkten Zugriff auf Verteidigungsunterlagen anläßlich einer Kanzleidurchsuchung bei dem Mitverteidiger Dr.Hoffmann im März '75 verschafft. Das ist aber auch nicht der Punkt: Für die Staatsanwaltschaft war ebenso wichtig zu erfahren, welche Zusammenhänge die Verteidigung noch nicht erkannt hatte. An diesen Punkten konnte sie entlastende Umstände getrost schlummern lassen. So wußte die Verteidigung während des ganzen ersten Verfahrens nicht, daß Bodeux Staatsanwalt Przytarski gegenüber bereits geraume Zeit vor Beginn seiner offiziellen Aussagen vertrauliche Angaben gemacht hatte. Diesen Umstand hatte Bodeux nicht nur verschwiegen, sondern im Verfahren vor den Augen des Staatsanwalts Przytarski vehement bestritten. Przytarski konnte Bodeux nur deshalb öffentlich lügen lassen, weil er offensichtlich durch den V -Mann genau wußte, daß die Verteidigung diese Information noch nicht besaß. Aufgefallen ist uns allerdings, daß die Staatsanwaltschaft auf unsere Beweisanträge aalglatt reagieren konnte.

Wie werden die Verteidiger aus dem Schmücker-Verfahren auf diesen ungeheuerlichen Vorgang reagieren?

Wenn sich die jetzt vorliegenden Informationen bestätigen, ist das ein Skandal, der das gesamte Schmücker-Verfahren unheilbar belastet. Stell dir vor, der erste Durchgang vor der Siebten Strafkammer hat quasi ohne Verteidigung stattgefunden, denn die Staatsanwaltschaft saß ja praktisch auf beiden Seiten. Dieser Schlag gegen die garantierten Rechte eines Angeklagten auf ein rechtstaatliches und faires Verfahren wirkt selbstverständlich bis in die zur Zeit laufende Revisionsinstanz. Die Verteidigung wird ihre Revision insoweit ergänzen.

Du bist auch in anderen politischen Verfahren als Verteidiger tätig gewesen. Kannst du ausschließen, daß der Verfassungsschutz in diesen Verfahren in ähnlicher Weise mitgemischt hat?

Das kann ich nicht ausschließen. Eine gewisse Skepsis bestand bei uns eigentlich schon immer. Sollte die Bespitzelung des Kollegen Heinisch amtlich werden, dann besteht Grund zu der Annahme, daß Heinisch kein Einzelfall ist. Büropersonal und Telefone haben wir alle.

Was sagst du zu dem Verhalten des Präsidenten der Berliner Anwaltskammer, der bemüht war, diesen Skandal unter dem Tisch zu halten?

Mit dieser Frage wird sich das Präsidium der Anwaltskammer und die gesamte Berliner Anwaltschaft befassen müssen. Ich bin aber sicher, daß der Vorgang nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.