Rettungsaktion Washingtons: Ford übernimmt Sparkassen

Vor Silvester mal eben 217 Sparkassen vor dem Ruin bewahrt / Privatunternehmen stecken Kreditinstitute ein / Regierung zahlt 34 bis 38 Milliarden Dollar  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - „Nehmt mich beim Wort - keine neuen Steuern“, unter anderem mit diesem Slogan hat George Bush die Wahl zum neuen US-Präsidenten gewonnen. Viele Zweifel sind angebracht, ob der Spruch angesichts des total überschuldeten Washingtoner Haushaltes eingehalten werden kann. Zum Jahresende nun hat die US-Regierung in einer beispiellos teuren Rettungsaktion Teile des Bankensystems vor dem Untergang bewahren müssen, so daß die Steuer -Nullösung noch unwahrscheinlicher wird.

Auf 34 bis 38 Milliarden Dollar werden die Kosten taxiert, die der staatliche Federal Home Loan Board (FHLBB) in den kommenden sechs bis zehn Jahren bereitstellen muß, um 217 vom Konkurs bedrohte Sparkassen des Landes zu retten. Eine entsprechende Zusage ist Teil eines Dreiecksübereinkommens, mit denen die US-Regierung die Übernahme der maroden Sparkassen durch private Großinvestoren subventioniert. Spektakulärster Fall: Eine Tochtergesellschaft der Ford Motor Company übernimmt vier Sparkassen mit der Verpflichtung, 170 Millionen Dollar zu ihrer Sanierung springen zu lassen. Um das Geschäft für den Automulti zu versüßen, steuern die Regierungsbehörden noch einmal 1,6 Milliarden Dollar bei.

Die entsprechenden Verträge für alle 217 Sparkassen mußten noch vor Jahresende unter Dach und Fach gebracht werden, damit die übernahmebereiten Privatunternehmen in den Genuß von Steuervorteilen kommen können. Niemand betrachtet das US -Sparkassensystem damit für gerettet. Von den insgesamt 3.000 Kassen hält die Regierung über die 217 Institute hinaus 500 für „nicht überlebensfähig“. Und da sich die US -Regierung die Gelder für ihre Rettungstaten selbst pumpen muß, sind die letztendlichen Kosten für weitere Sanierungen alles andere als absehbar. Im Dezember errechnete das Washingtoner Finanzministerium, daß für den Fall einer (absehbaren) Zinssteigerung um weitere anderthalb bis zwei Prozent eine komplette Therapie der Branche an die 105 Milliarden Dollar kosten dürften.

Die Schwierigkeiten, in die die Sparkassen vor allem durch ihre Kreditvergabe im Immobiliensektor und in der darniederliegenden Ölbranche gekommen sind, haben eine lange Geschichte. Ursprünglich waren sie qua Gesetz zu niedriger Verzinsung der Spareinlagen sowie zur Gewährung äußerst zinsgünstiger Hypothekenkredite verpflichtet. Jeder Erbauer eines Home sweet Home ging zu den Savings and Loan Institutions.

Die Katastrophe der Kredithäuser selber begann dann gegen Ende der 70er Jahre. Das Zinsniveau im Lande zog gewaltig an, die Prime Rate (Zinssatz bei besonders solventen Kunden) kreuzte bisweilen die 20-Prozent-Linie - einerseits logische Folge der horrenden Inflation, anderseits Ergebnis bewußter Hochzinspolitik der Zentralbank, die ausländische Gelder anlocken wollte, um dadurch den purzelnden Dollarkurs zu stabilisieren. Kunden, die Gelder einlegen wollten, wanderten logischerweise weg von den Sparkassen hin zu den Geschäftsbanken, die ihnen zweistellige Renditen versprachen. Die Einlagen blieben aus, herein kamen nur mehr die niedrigen Hypotheken-Zinsrückzahlungen. Geschäfte, die Banken und Investmentunternehmen betreiben durften, blieben der Branche ohnehin verschlossen.

Dies mußte die „Deregulierungs„-Promoter in der Reagan -Administration auf den Plan rufen, die die freie Wirtschaft von jeglicher unnötiger Bestimmung erlösen wollten. Doch was als eigentlich logisch erschien, ging hier gleich doppelt schief. Zunächst wurde die Zinsobergrenze für die Einlagen aufgehoben. Ergebnis: In einem ruinösen zinstreibenden Wettbewerb versuchten die bereits ruinierten Sparkassen, die verlorenen Kundeneinlagen zurückzugewinnen. Dann erlaubte man den Kassen auch diejenigen Geschäfte, die bislang nur den Geschäftsbanken vorbehalten blieben. Ergebnis: Die von Haus aus nur im solventen Häusergeschäft tätigen Kassen spekulierten nun im Ölpreis-Boom äußerst waghalsig ins schwarze Gold. Bei einem Ölpreis von bis zu 38 Dollar pro Faß setzte man auf teure Ölsand- und Ölschieferförderung in den USA. Ergebnis: Der Zusammenbruch der OPEC und des Ölpreises riß die Sparkassen noch stärker in den Strudel.

Die Rettungsaktion von Amts wegen ist indes keine Good-Will -Aktion Washingtons. Abgesehen von drohenden gefährlichen Kettenreaktionen im Jahre Eins nach dem Börsencrash hätte der staatliche Sicherungsfonds andernfalls für alle Einlagen der Konkurskassen über 100.000 Dollar aufkommen müssen.