Hier stand einmal ein Haus...

Remscheider Friedensinitiative will Mahnmal am Ort des Flugzeugabsturzes errichten / Nur schlechtes Wetter verhinderte gestern die Wiederaufnahme der Tiefflüge über der Bundesrepublik / Zwei Opfer schweben noch in Lebensgefahr  ■  Aus Remscheid Süster Strubelt

250 Remscheider Bürger versammelten sich gestern auf dem Platz, wo vor einem Monat eine US-Militärmaschine eine Häuserzeile in Schutt und Asche legte. Die Remscheider Friedensinitiative hatte zur Enthüllung eines „Platzhalters“ für ein künftiges Mahnmal aufgerufen. Die vier Meter hohe, dreieckige Gerüstkonstruktion steht auf dem Gelände eines Hauses, das nach dem Unfall völlig abgetragen werden mußte. Auf einem Transparent trägt das Gerüst eine „Remscheider Mahnung“ mit der Forderung „sämtliche Übungsflüge über bewohnten Gebieten und alle Tiefflüge in unserem Land sofort zu untersagen“. Vor dem Gerüst hielt die Remscheider Bürgermeisterin Ursula Gaschae eine Ansprache. „Es reicht“ schimpfte die SPD-Politikerin und forderte auch andere Kommunalparlamente auf, sich in die „große Politik“ einzumischen und ein „dauerhaftes Verbot der Tiefflüge und aller militärischen Übungsflüge über bewohnten Gebieten“ durchzusetzen. Nach der Katastrophe in Remscheid waren die Tiefflüge für kurze Zeit ausgesetzt worden. Daß sie gestern nicht wieder aufgenommen wurden, verhinderte nur das schlechte Wetter.

Von den direkt Betroffenen, den Bewohnern der zerstörten Häuser, war kaum jemand anwesend. Pfarrer Hans Günther Korb wies darauf hin, daß einige von ihnen immer noch mit furchtbaren Brandverletzungen in Kliniken lägen. Außerdem fand am selben Nachmittag das Begräbnis eines Anwohners statt, der an den Nachwirkungen der Katastrophe, an einem Herzschlag gestorben war. Dafür waren zahlreiche, auch ältere Remscheider Bürger erschienen. Die Friedensinitiative, ein seit 1981 bestehendes Bündnis von 30 politischen Gruppen hat in den letzten Wochen starken Zulauf erhalten. Kirchen und das rote Kreuz starteten eine Sammelaktion zugunsten der Geschädigten. Sogar Bayern Münshen und der BVL Remscheid trafen sich zu einem Benefizspiel. Die rotgrüne Mehrheit im Rat der Stadt Remscheid sprach sich für ein Tiefflugverbot aus. 25 000 Bürger aus Remscheid und Umgebung, sowie Prominente aus der gesamten Bundesrepublik unterschrieben einen Aufruf der Friedensinitiative gegen Tiefflieger, die „Remscheider Mahnung“.

In den halbeingestürzten Häusern mit schwarzverkohlten Fassaden sind mittlerweile die Renovierungsarbeiten im vollen Gang. Die Anwohner werden zunächst von ihren Versicherungen entschädigt, die widerum ihre Forderungen an das bundesdeutsche Amt für Verteidigungslasten stellen. Damit werden alle Kosten letztlich vom Steuerzahler getragen, empört sich die Sprecherin der Remscheider Friedensinitiative Uschi Hagemann-Teiner, während die sich USA aus ihrer Verantwortung stehlen. Unzufriedenheit herrscht auch bei einigen Geschädigten, die ihren Hausrat zu niedrig versichert hatten und deshalb nicht ausreichend entschädigt werden. Das Amt für Verteidigungskosten lasse sich sein „schlechtes Gewissen“ jedoch anmerken, berichtet ein Anwohner. Während der Schriftwechsel dort sonst mehrere Monate dauert, reagiert die Behörde jetzt innerhalb von Tagen auf die Anfragen der Rechtsanwälte.

Mitglieder der Friedensninitiative vermuten allerdings, daß es noch zu Prozessen um die Entschädigungsfrage kommen wird. Dann, wenn der Skandal in Vergessenheit geraten ist, fürchtet die Initiative, die im nächsten Jahr durch die Aufstellung des Mahnmals noch einmal an die Katastrophe erinnern will. Denn was vom guten Willen der Politiker zu halten sei, das hatte der Hamburger Schriftsteller Peter Schütt, in einem Gedicht formuliert, das auf der Kundgebung verlesen wurde: „Zum Gedenken an die Opfer von Remscheid, hat der Verteidigungsminister angeordnet: Tiefflüge über dicht besiedeltem Gebiet werden künftig nur noch in Kreuz -Formationen durchgeführt“

Nach der Flugzeugkatastrophe liegen noch immer drei Opfer im Krankenhaus, zwei von ihnen schweben nach wie vor in Lebensgefahr. Bei dem Absturz der Militärmaschine waren am 8. Dezember sechs Menschen getötet und mehr als 50 verletzt worden.