Ächtung

Zur Pariser Chemiewaffen-Konferenz  ■ G A S T K O M M E N T A R

Chemische Waffen“ sind Chemikalien, die relativ einfach auch von nur mittelmäßig ausgebildeten Chemielaboranten herzustellen sind. Wie bei jeder chemischen Synthese werden Ausgangsprodukte unter üblichen Reaktionsbedingungen in das gewünschte Endprodukt umgesetzt. Dies gelingt in technisch einfachen Anlagen. Eine nationale und internationale Kontrolle könnte daher nur sehr bedingt beim Verbrauch der Ausgangsprodukte oder dem Nachweis von Lagerung, Weitergabe oder gar Anwendung der Endprodukte ansetzen. Die nötigen Ausgangsprodukte sind überwiegend einfache Chemikalien, z. B. Amine, Alkohole oder phosphorhaltige Säuren.

Solche Chemikalien sind „Bausteine“ auch vieler anderer chemischer Produkte, die im großen Maßstab weltweit eingesetzt werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen gibt es Leitsubstanzen, wie bei den heimtückischen Stoffen Soman, Schwefel-Lost, die wir der traditionellen Erfahrung der deutschen chemischen Industrie in der Entwicklung und großtechnischen Herstellung von chemischen Waffen verdanken. Hier würden der sonst kaum verwendete Pinacalyl-Alkohol oder das Thiodeethanol auffallen. Selbst diese Ausgangsprodukte könnten aber relativ einfach auch mit gänzlich unauffälligen Vorstufen im Labor hergestellt werden. Drohen Kontrollen, so lassen sich verdächtige Stoffe innerhalb weniger Minuten beseitigen.

Die Herstellung chemischer Stoffe läßt sich nicht wirksam und weltweit kontrollieren, wie schon der Schwarzmarkt der Tierarzneimittel oder der Designer-Drogen lehrt. Sie ist in jeder einfachen Chemie-Klitsche, in einer besseren Waschküche möglich. Trotz Atomwaffen-Sperrvertrag gelingt diese Kontrolle ja nicht einmal im zivilitärischen Nebel der Nuklearmafia, obwohl Radioaktivität noch recht einfach nachweisbar ist.

So bleibt nur die internationale, ausnahmslose und gnadenlose Ächtung aller chemischen Waffen und die intensive Verfolgung ihrer Hersteller, Hehler und Anwender unter Verhängung von Höchststrafen und massiven wirtschaftlichen und politischen Sanktionen. Wer mit Giftgas-anwendenden Ländern noch Handel treibt und diplomatische Beziehungen pflegt, macht sich mitschuldig am Völkermord.

Otmar Wassermann, Prof. für Toxikologie, Universität Kiel