Nun noch ein Wort von unserem Sponsor

Reportage vom Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den Vereinigten Staaten von Amerika / Unser Berichterstatter aus dem Coliseum von Los Angeles ist Yörg Van Torab  ■  Von Hans Pfitzinger

Guten Abend, liebe Fernsehzuschauer, oder eigentlich müßte ich ihnen ja „Guten Morgen“ zurufen, denn durch den kleinen Zeitunterschied ist es bei ihnen ja vier Uhr morgens, während wir hier immer noch „preim teim“ haben, wie die Zeit mit den meisten Werbeeinblendungen auf amerikanisch heißt. Sie wissen alle noch, wie sehr wir uns 1988 gewundert haben, als die FIFA die Fußball-WM, oder „Sacker-Tschämpienschipp“, nach Nordamerika vergeben hat, aber lassen sie mich jetzt schon sagen: Es hat sich gelohnt, sowohl für die Mitglieder der FIFA als auch für die Sponsoren.

Vielleicht sollte ich bei dieser heutigen ersten Übertragung noch ewtas häufiger auf die geringfügigen Veränderungen eingehen, die unser gewohnter Fußball für das US-Fernsehpublikum hinnehmen mußte.

Doch lassen Sie uns zuerst gemeinsam das Abspielen der Nationalhymnen anhören, die Ihnen heute von BASF dargebracht werden, Sie wissen schon: „Für den rechten Ton die richtige Kassette - Einigkeit und Recht auf Freizeit“. Ja, wie ich schon sagte, einige Änderungen hat es gegeben, um den Amerikanern unseren Fußball schmackhaft zu machen apropos schmackhaft, wie bei allen Spielen wird natürlich die Seitenwahl auch diesmal von Wendy Hamburgers gesponsort - „Wie Sie auch wählen - Wendys schmeckt immer!“ Es hat sich nichts geändert an der Seitenwahl vor dem Spiel. Die Herren in den gestreiften Jerseys sind übrigens die Schiedsrichter - wie beim Eishockey gibt es mehrere, damit sich der Amerikaner nicht zu sehr umstellen muß. Außerdem bringt das einen entscheidenden Vorteil: je mehr Schiedsrichter, desto mehr Werbeflächen. Dasselbe kann man auch von den Spielern sagen - hier war ja die oberste österreichische Spielklasse gewissermaßen derrieregardistisch, als sie die Spielerhintern mit Werbung versah - heute denken wir uns gar nichts mehr dabei, daß unsere Nationalfünfzehn mit dem Ausdruck Pitstop auf dem Allerwertesten für eine Auspuffirma wirbt.

Ein bißchen ungewohnt seien sie schon, die neuen Regeln, sagte mir Mannnschaftskapitän Jürgen Klinsmann noch kurz vor dem Spiel, und es erscheint auf den ersten Blick tatsächlich etwas seltsam, wenn man die breitschultrigen Athleten in ihren Football-Ausrüstungen über das Spielfeld traben sieht. Aber da Bodychecks als regelgerecht anerkannt werden, sollte man schon eine gewisse Schutzkleidung tragen. Auch an die Einteilung des Spielfeldes in Drittel muß man sich erst gewöhnen, genau wie an die veränderte Zählweise. Sie wissen ja, landet der Ball von oben auf dem Netz, wie beim Basketball, gibt es zwei Punkte. Und landet er hinter der Torauslinie, wie beim Football, erhält man einen Punkt.

Anstoß mit einem Freund

Und jetzt wurde der Anstoß ausgeführt, wie immer dargebracht von Budweiser - „eisgekühlt, da schmeckt man nichts. Stoßen Sie mit einem Freund an, Amerikas Nummer eins unter den geschmacksneutralen Bieren“ - ja, und da erleben wir schon den ersten Freistoß. Frei- und Strafstöße werden, wie Sie wissen, mit dem Schläger ausgeführt, wie beim Baseball. Und da kommt es schon angerannt, eines der Cheerleader -Mädchen vom deutschen Team, ausgewählt von Triumph „Triumph krönt die Figur“ - und sie bringt den Schläger, gestiftet von Ikea - „Unsere Fichtenhölzer sind echt Spitze“ - und sie reicht den Schläger unserem Libero, Stefan Beckenbauer, der mit weitem Schlag den Ball neben das Tor setzt. Schade, aber immerhin steht es 1:0. Und hier eine Nachricht von unserem Torsponsoren:

„Getroffen - so soll es sein, liebe Fußballfreunde, und wenn auch Sie treffen wollen: Lottospielen, mittwochs und samstags. Von führenden Millionären empfohlen.“

Ja, liebe Zuschauer, die 67 deutschen Schlachtenbummler sind immer noch ganz aus dem Häuschen. Etwas schade ist schon, daß das Stadion ansonsten völlig leer ist. Nun ja, „Sacker“ ist trotz der Regeländerungen hier nicht so populär, daß die Leute extra von ihrem Fernseher weggehen würden. Doch die Einschaltquoten sind beachtlich, wie mir der Kollege von ABC mitteilt - mehr als drei Prozent aller Apparate seien angeschaltet, und das ist schon was für ein Sackermätsch. Doch zurück zum Spielverlauf, bei dem die Räume jetzt natürlich etwas eng werden, schließlich sind ja 30 Spieler und einige Schiedsrichter auf dem Feld. Doch nun noch ein Wort von unserem Sponsoren: „Freiheit, Abenteuer und Geschmack - wer würde die Fußballsportler nicht bedauern, daß sie zum Nichtrauchen verurteilt sind? Aber Sie zu Hause, Sie können den Geschmack von Amerika genießen, sogar im Sessel vor dem Fernseher - Marlboro. Die Gesundheitsministerin sagt: Wenn die Karriere zu Ende ist, kommt es auf das bißchen Krebs auch nicht mehr an.“

Ein Mann, ein Schuß

Vielen Dank, Heribert Faßbender, hier ist wieder Yörg Van Torab aus dem Coliseum von Los Angeles. Gerade wurde ein gegnerischer Spieler im Strafraum von zwei deutschen Full -Backs gleichzeitig gelegt. Das verstößt gegen die Regeln, umhauen darf nur einer. Die Schiedsrichter sind sich einig: Elfmeterschlag oder Penalty-Beating, gesponsort von der Firma Winchester - „damit jeder Schuß ins Schwarze trifft, Winchester-Repetiergewehre, ein Mann, ein Schuß“ und schon holt der Schläger aus, unser Torwart Andreas Köpke tänzelt unruhig auf der Linie hin und her, natürlich, die Torleute haben es schwer, denn der Elfmeter wird ja mit einem Baseball geschlagen, und, ja schade, der Ball ging ins Netz. Womit es, Moment ... ein Ball ins Netz gibt drei Punkte ... womit es 3:1 steht für - ja, lassen Sie mich mal schauen, gegen wen spielt denn die deutsche Elf, äh, Fünfzehn, gegen, äääh, ja, sehen Sie, man kommt leicht durcheinander bei all den Sponsoren, kann mir vielleicht jemand aus dem Kölner Studio sagen, gegen wen die deutsche Elf antritt...?

„Ja, Yörg, so einfach ist das nicht, wir schlagen gerade in der Sponsorenliste nach. Wenn man sich die Trikots ansieht, dann wird der Gegner von American Express gesponsort, aber die haben drei Teams, es kann also entweder Brasilien, Italien oder Malta sein, warten Sie noch einen Augenblick, gute Nacht allerseits...

Ja, liebe Fernsehzuschauer, das war wieder Heribert Faßbender, den Sie eigentlich gar nicht hören sollten, weil ihn keiner sponsoren wollte, aber in solchen Ausnahmefällen ... Jetzt sind wir auch schon einen Schritt weiter, denn wir haben festgestellt, daß der Gegner der deutschen Elf, äh Fünfzehn, von hinten gesponsort wird von ... ja, von Mildessa-Sauerkraut - „für sanfte Töne nach dem Essen“ und deshalb kann es sich nur um ... lassen Sie mich nachsehen ... ja, es handelt sich um Malta, denn nur Malta wird von American Express und Mildessa gesponsort, Brasilien hat ja als Hintersponsor Hakle, und Italien wird rückwärtig von Hämorrex unterstützt. Aber zurück zum Spiel, vom Spielfeldrand meldet sich jetzt Fritz von Thurn und Taxis - Sponsor: Deutsche Bundespost - mit einem tiefschürfenden Interview:

„Franz Beckenbauer, wie sehen Sie den bisherigen Spielverlauf?“

„Erstmal möchte ich meinem Sponsoren, Max Factor Stirnpuder for Men - „gegen glänzende Stirn in allen Lebenslagen“ - danken, und ansonsten schau'mer mal, das Spiel dauert schließlich 30 Minuten, und der Ball ist auch nicht mehr rund, sondern eiförmig, und im übrigen habe ich alle weiteren Äußerungen schon an die 'Bild-Zeitung‘ verkauft.“

„Vielen Dank, Franz Beckenbauer, ich danke Max Factor Stirnpuder for Men und der Post und gebe zurück an Yörg Van Torab...