37 Gewerkschafter in Mexiko festgenommen

■ Führer der Erdölgewerkschaft, bislang solide Basis der Regierung, inhaftiert / Feuergefecht mit Leibwächtern / Ein Soldat getötet / Landesweite Proteststreiks / Arbeiter besetzen Flughafen / Waffenlager im Privathaus des zweitmächtigsten Gewerkschafters

Mexiko-Stadt (ap/wps/taz) - Nach einem Feuergefecht ist am Dienstag in der mexikanischen Hafenstadt Tampico der Chef der Ölarbeitergewerkschaft des Landes, Joaquin Hernandez Galicia, festgenommen worden. Beim Sturm auf das festungsartig ausgebaute Haus, in dem nach offiziellen Angaben 200 Maschinenpistolen, 17 Maschinengewehre und 250.000 Schuß Munition beschlagnahmt wurden, kam es zu einem Schußwechsel zwischen den Soldaten und Leibwächtern des Gewerkschaftsbosses. Ein Soldat wurde getötet, 19 Personen verletzt. Die regierungsamtliche Nachrichtenagentur 'Notimex‘ meldete, der Militäreinsatz sei angeordnet worden, weil die Gewerkschafter die Absicht gehabt hätten, die staatliche Ölgesellschaft Pemex lahmzulegen, wodurch die nationale Sicherheit gefährdet worden wäre. Hernandez hatte vorsorglich mit Aktionen gedroht, falls der Staat die Schließung oder den Verkauf von Pemex-Betrieben ins Auge fassen sollte.

Aus Protest gegen die Verhaftung von Hernandez Galicia und weiteren 35 Gewerkschaftsführern traten die Arbeiter der Pemex-Raffinerie in Tampico in Streik. Während sie die Autobahn blockierten, besetzten Soldaten den Flughafen der Stadt und die Raffinerie im benachbarten Ciudad Madero.

Dem Ausstand schlossen sich in Mexiko-Stadt weitere 6.000 Ölarbeiter an. In der nordmexikanischen Grenzstadt Reynosa traten 15.000 Arbeiter in Streik und in der Raffinerie Salina Cruz an der Pazifikküste im Süden weitere 8.000.

Eine ebenfalls spektakuläre Militäraktion spielte sich in der mexikanischen Hauptstadt vor dem Haus des Generalsekretärs der Gewerkschaft und Ex-Senators der Regierungspartei, Salvador Barragan Camacho, ab. Soldaten in Kampfanzügen riegelten das Viertel weiträumig ab, postierten sich in den Eingängen der Nachbarhäuser und eröffneten das Feuer auf die Wohnung des Gewerkschafters. Barragan hatte jedoch sein Haus bereits verlassen und in der Zentrale des mexikanischen Gewerkschaftsdachverbandes CTM Zuflucht gesucht.

Die CTM ist mit der regierenden PRI eng verflochten, und gerade die Ölarbeitergewerkschaft, mit 180.000 Mitgliedern stärkste Kraft im Verband, war immer ein starker Stützpfeiler des Regimes. Auch wenn Barragan ihr Generalsekretär ist, gilt doch der festgenommene Hernandez als der eigentliche Boß der Gewerkschaft und nach Fidel Velasquez, der die CTM seit 45 Jahren anführt, als zweitmächtigster Gewerkschafter im Land. Als Planungs- und Budgetminister hat der seit Anfang Dezember amtierende Präsident Carlos Salinas das Privileg der Ölarbeitergewerkschaft aufgehoben, 50 Prozent aller Bauaufträge der Pemex einzuheimsen.

Der Konflikt zwischen Regierung und Gewerkschaft verschärfte sich, als Mitglieder der Gewerkschaft, der die PRI traditionell einen bestimmten Anteil ihrer Parlamentssitze reserviert, noch vor Salinas Amtsantritt den ehemaligen Pemex-Chef Mario Ramon Beteta im Parlament beschuldigten, 1985 beim Kauf zweier jugoslawischer Öltanker 49 Millionen Dollar unterschlagen zu haben. Dies wurde in der Öffentlichkeit als Angriff auf die Regierung gewertet. Ein von der PRI kontrolliertes Gericht ließ denn auch eine formale Anklage gar nicht zu. Dies hinderte den populären, wenn auch kaum weniger korrupten Hernandez nicht, am Sonntag just diesen Vorwurf in der Öffentlichkeit erneut zu erheben.

thos