: Strom-Sünder mit Stadtwerke-Segen
■ In der Neustadt soll eine Einfamilienhaus-Siedlung mit einer Stromheizung ausgestattet werden / Für die Käufer erheblich teurer, für die Umwelt giftig - von den Stadtwerken genehmigt
Wer Häuser baut, um sie gleich nach der Fertigstellung zu verkaufen, dem geht es natürlich vor allem um eins: Ums Geldverdienen. Dabei können gute Verbindungen zu Behörden von Nutzen sein. Einer, der sich auf ersteres versteht und über zweiteres anscheinend verfügt, ist Dipl. Ing. Architekt Jürgen H. Stahrenberg. Stahrenberg ist Geschäftsführer der Impla Bauplanungsgesellschaft und baut derzeit in der Bremer Neustadt den Kornhof.
Stahrenberg sind eine ganze Serie von Genehmigungen zuteil geworden, die es, gäbe es eine sinnvolle Behördenplanung, eigentlich nicht geben dürfte. Er hat einen Bebauungsplan bekommen, der auf 2.200 Quadratmetern 17 (!) Eigentumshäuschen zuläßt. Er darf die ganze Fläche zu hundert Prozent mit einer Betondecke versiegeln. Der Mann hat auch erreicht, daß die Bremer Stadtwerke ein Kernstück ihrer offizielen Energiepolitik aufgeben: Stahrenberg darf in die Häuser eine Stromheizung einbauen, nicht etwa eine Nachtspeicherheizung (auch die ist energiepolitisch umstritten, aber immerhin wird sie mit verfügbaren Strom -Kapazitäten betrieben), sondern eine Heizung, die die Last -Spitze Bremens nach oben treibt.
In den Unterlagen der VBS Immobilien GmbH, die den Verkauf durchführt, heißt es lapidar: „Jedes Haus erhält eine eigene
Warmwasserzentralheizung, die elektrisch über den sogenannten 'Sonnenscheintarif‘ der Stadtwerke AG beheizt wird.“ Der Sonnenscheintarif (Sol-Tarif) war ursprünglich eingeführt worden, um umweltfreundliche Energieerzeugung wie Wärmepumpen zu unterstützen.
Nun haben die Stadtwerke nicht nur einen Vertrieb, der anscheinend eigenmächtig über Gas-Werbekampagnen hinweggeht und auch von den offiziellen Sparparolen nichts hält. Die Stadtwerke haben auch eine Energie-Beratung. Und die hat auf Nachfrage ausgerechnet, was es für die Käufer und für die Umwelt bedeutet, wenn der Kornhof mit einer elektrischen Direktheizung statt mit Gas beheizt wird.
Das Ergebnis vorweg: „Aufgrund der eindeutig nachteiligen Kostensituation für die Elektro-Direktheizung ist eine Gaswasser-Umlaufheizung zu favorisieren.“ In Zahlen liest sich das so: Vorausgesetzt die Stadtwerke gewähren tatsächlich den billigen Sol-Tarif, muß ein Käufer mit 2.455 Mark Heizungskosten jährlich rechnen. Wird der normale Haushaltstarif zugrunde gelegt, sind es gar 3.254 Mark. Würde die Heizung mit Erdgas betrieben, ergäben sich lediglich 1.841 Mark. In der „dynamischen Wirtschaftlichkeitsberechnung“ über 15 Jahre wird der Unterschied noch deutlicher. Während für Gas
30.484 Mark zu zahlen wären, liegt Strom beim günstigen Tarif bei 41.761, beim Haushaltstarif gar bei 55.713 Mark.
Auch die von der Verbraucherberatung der Stadtwerke ausgerechneten Schadstoffemissionen sprechen für sich. Eine Anlage, wie am Kornhof geplant, führt zu dreimal so hohen CO 2-Emissionen in 15 Jahren. Und auch die Stickstoff und Schwefeldioxid-Emissionen liegen um ein mehr
faches über den bei Gas anfallenden Werten.
Doch das ist noch nicht alles: Werden in dieser Wohnanlage Elektroheizungen eingebaut, dann reicht das in der Neustadt vorhandene Netz nicht mehr aus. Doch Bauherr Stahrenberg hat vorgesorgt. Nach seiner Auskunft sind die Stadtwerke bereit, auf eigene Kosten, eine neue Trafo-Station zu bauen. Geschätzte Kosten: mindestens 300.000
Mark. Stahrenberg selbst stellt das Grundstück für die Trafo -Station.
Besorgten Kaufinteressenten, die nachfragen, ob die Stadtwerke tatsächlich den im Vergleich zum Haushaltstarif extrem günstigen Sol-Tarif zugesagt haben und für wie lange, antwortet Stahrenberg: „Ich habe auf höchster Ebene Gespräche geführt. Die Stadtwerke haben die Zusage gegeben, daß das so bleibt.“
hbk
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