Berufsfeld „Multiplikatorin“

■ „Multiplikatorin für Frauenfragen“ nennt sich ein Zertifikat an der Universität Saarbrücken Frauen nach der „Familienphase“ können auch ohne Abitur einen solchen Studiengang belegen

Viele Jahre hatten sie keine Zeit für sich: Nach der Heirat zogen sie Kinder groß, gaben ihren Beruf zugunsten des Mannes auf, pflegten lange Zeit kranke Verwandte. Dann durften 70 saarländische Ehefrauen und Mütter im Alter zwischen 26 und 69 Jahren doch noch etwas für sich tun studieren, auch ohne Abitur. Vor 15 Monaten begann ein Modellprojekt an der Universität des Saarlandes zur „wissenschaftlichen Weiterbildung für Familienfrauen“, wie es in ähnlicher Form nur noch an den Universitäten Dortmund, Bielefeld und Ulm existiert.

Noch studieren in Saarbrücken alle Teilnehmerinnen mit Eifer gesellschaftliche und feministische Themen wie das „Elend der Drogenpolitik“ und „Das Sexuelle und die Sexualität“. Doch zur Halbzeit des fünfsemestrigen Studiums mischt sich in den Lerneifer bei den Frauen auch Skepsis über den Wert ihres Studienabschlusses: ein Zertifikat als „Multiplikatorin für Frauenfragen“.

Zweieinhalb Jahre Studien über die Frau in der Gesellschaft dürften kein Selbstzweck gewesen sein, meinen die Frauen. „Ich würde mich sehr ärgern, wenn ich das nur für mich allein gemacht hätte“, sagt die 34jährige gelernte Zahnarzthelferin Elisabeth Schmeja. Nach Meinung von Studentin Christina Kronenberger-Schuh (50), vormals Eheberaterin, ist der Abschluß, wie er auch an der Universität Dortmund vergeben wird, „vorläufig nichts“ wert.

Dabei ist das Ziel des Modellprojekts kaum umstritten: Auch sogenannten Familienfrauen ohne Abitur - in der Regel im Alter zwischen 35 und 45 Jahren - soll ein Studium ermöglicht werden, das sie vor allem für beratende Funktionen im kulturellen, politischen und sozialen Bereich qualifiziert. In einem ersten Schritt sollen in dem vom Bund und dem jeweiligen Bundesland geförderten Projekt die Universitäten in Saarbrücken und in Dortmund bis 1990 einen dafür geeigneten Studienlehrplan erarbeiten.

Die Psychologin Dagmar Scherer (29), eine der beiden Projektmitarbeiterinnen, sieht die Verwertbarkeit des Abschlusses nicht so problematisch. „Immerhin können die lebenserfahrenen und fast immer mit einem Lehrberuf ausgestatteten Frauen mit dieser Zusatzausbildung bestehende Berufsfelder qualifizieren und neue schaffen.“ Sie denkt dabei vor allem an Positionen in Volkshochschulen, Frauenhäusern und bei Pro Familia. Außerdem hätten kürzlich alle Weiterbildungsinstitutionen für Familienfrauen eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, um gegenüber dem Bildungsministerium die Forderung nach einem anerkannten Abschluß besser vertreten zu können.

Grundsätzlich wehren sich die Studentinnen des Modellprojekts gegen das Negativbild vom „Hausfrauenstudium“. Die Ernsthaftigkeit ihres Studiums werde von den 15 Pflichtscheinen mit Referat und der Anwesenheitspflicht bei Veranstaltungen unterstrichen.

Die Chancen der „Multiplikatorinnen“ auf eine bezahlte Stelle dürften eher mäßig sein. Auch der Leiter des Projektes, der Soziologieprofessor Hans Leo Krämer, neigt zu einer nüchternen Analyse: Die meisten potentiellen Arbeitgeber wie Wohlfahrtsverbände, Parteien und Sozialämter würden auf die so ausgebildeten Frauen wohl zunächst nur als kostenlose ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zurückgreifen.

Matthias Röder (dpa)