: Nur ein Polizei-Schlag zuviel
■ Zwei Polizeibeamte wegen „gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt“ verurteilt / Die „Grenzen des Zulässigen“ bei der Festnahme eines betrunkenen Ladendiebes „nicht allzuweit überschritten“
Zwei Bremer Polizeibeamte mußten sich gestern wegen „Körperverletzung im Amt“ vor dem Bremer Amtsgericht veranworten. „Ich will noch sagen, daß ich meinen Dienst bei der Polizei gern versehe“, erklärte der eine in seinem Schlußwort als Angeklagter. Die Maßnahmen seien „notwendig und unaufschiebbar“ gewesen.
Der Vorfall in der Großen Hundestraße, wegen dem sie nun vor Gericht standen, liegt zwei Jahre zurück. Im Januar 1987 hatte ein Bäcker die gerade abgeholte Arbeitslosenunterstützung versoffen - 2,7 Promille stellte die Polizei später fest -, und in diesem Zustand versucht, bei Horten ein paar Turnschuhe und eine Tasche zu klauen. Zwei Kaufhaus-Detektive verfolgten den Mann, versuchten ihn festzuhalten, und da er sich das nicht gefallen lassen wollte, versetzten sie ihm ein paar Schläge, sprühten ihm Tränengas ins Gesicht und alarmierten die Polizei. „Räuberischer Diebstahl“, also ein Verbrechen, lautete der Einsatzbefehl, das heißt: jemand sucht durch Gewalt in den Besitz einer Beute zu kommen.
Die zahlreichen Passanten, die nur den ungleichen Kampf mitbekommen hatten, erwarten von den
Polizeibeamten, daß sie den Mann gegen seine beiden gewalttätigen Verfolger schützen würden. Der Taschen-Dieb sei, als die Polizisten eintrafen, „fix und alle“ gewesen, sagte ein Passant als Zeuge dem Gericht. Dennoch hätten die Beamten dem Mann in den Magen und ins Gesicht geboxt, „unheimlich brutal“. Keiner der als Zeugen geladenen Passanten hatte beobachtet, daß der Taschen-Dieb anderes als ungelenke Abwehrbewegungen machte, keiner konnte Verständnis für die Polizisten aufbringen. „Ich sah nichts mehr“, hatte der Betroffene selber ausgesagt, „deshalb konnte ich auch auf niemanden losgehen“.
Der eine Beamte rechtfertigte seinen Faustschlag ins Gesicht dennoch mit Widerstand des Taschen-Diebes. Den zweiten Schlag in den Magen habe er ausgeteilt, „weil der Mann mir in den Fuß kniff, als wir ihn zu Boden gebracht hatten“. Dies alles, so führte der Richter Mertens nach langer Beratung in seinem Urteil aus, sei vielleicht noch gerechtfertigt gewesen. Auch daß sie ihren Fuß auf den Rücken des am Boden liegenden Mannes gestellt hatten, sei noch gerechtfertigt. Bestraft werden müßten die beiden Beamten aber wegen dem,
was danach kam: Sie versetzten dem so wehrlos liegenden Mann, so hatten Zeugen berichtet, noch einmal einen Schlag auf den Hinterkopf, so daß sein Gesicht auf
die Gehwegplatten aufstieß. Allerdings nicht eine Freiheitsstrafe auf Bewährung, wie die Staatsanwältin beantragt hatte, sondern nur eine Geldstrafe von 90 Tages
sätze hielt das Gericht dafür für angemessen - da die Beamten „die Grenze des Zulässigen nicht allzuweit überschritten“ hätten.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen