Gastkommentar: Ein Riese am Ende

■ Brasilien wird vom Schuldenberg erdrückt

Brasiliens „Sommerplan“ kommt anders als der „Plano Cruzado“ von 1986 kurz vor dem Höhepunkt des Karnevals. Zumindest den 60.000 Staatsbediensteten, die entlassen werden sollen, wird er den Samba vergällen. Die eingefrorenen Löhne, wobei ein Minimallohn bei nur etwa 80 Mark liegt, sind auch nicht mit einem Preisstopp von 128 Waren schmackhaft zu machen. Die „tabellierten“ Waren verschwinden aus den Regalen; die Besserverdienenden kaufen sie sich dann auf dem Schwarzen Markt, und die armen Massen gehen leer aus.

Präsident Sarney setzt wie 1986 auf „Volkskontrolle“ der Preisauszeichnung in den Supermärkten. Damals schlug die Kontrolle in Begeisterung um und drohte, dem Regime bei soviel Massenmobilisierung gefährlich zu werden. Also wiegelte man schnell wieder ab. Doch heute, nach den Erfahrungen der Vergeblichkeit antiinflationärer Politik, bei etwa 1000prozentiger Inflation 1988, ist mit der Regierung nichts mehr drin. Sarneys dramatische Appelle wirken daher eher komisch. 1986 scheiterten die gewerkschaftlichen Versuche, einen Generalstreik zu organisieren. Heute stehen die Chancen besser.

Jeder kann sich ausrechnen, daß mit Lohn- und Preisstopp, mit Entlassungen und Privatisierung der rentablen Staatsunternehmen - also durch Ausverkauf des Staatsvermögens -, mit Tariferhöhungen etc. die Gespenster der Inflation und Krise nicht vertrieben werden können. Allein der Schuldendienst auf die Außenschuld von mehr als 120 Mrd. Dollar hat fünf Prozent des Sozialprodukts in den vergangenen Jahren aufgefressen. Die Strategien des Rückkaufs von Außenschulden 1988 haben die Geldzirkulation entsprechend aufgebläht und die Inflation genährt. Ohne Stopp des Schuldendienstes geht gar nichts, weder in Brasilien noch in anderen hochverschuldeten Ländern.

Und nichts läuft ohne eine Agrarreform, die die verfassunggebende Versammlung gerade abgeschmettert hat. Die Regierung gibt noch eins drauf, indem sie das Ministerium für Agrarreform auflöst. Millionen Landlose bekommen kein Land, die großen Ladifundien produzieren aber hauptsächlich für den Export. Die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt, während das innere Angebot sinkt. Brasilien wirft das Handtuch vor der äußeren Schuldenkrise und der inneren Agraroligarchie.

Elmar Altvater, Prof. an der FU Berlin