„Es ist eine logisch absurde Situation“

■ Interview mit Hajo Funke, Privatdozent am Otto-Suhr-Institut der FU und Mitinitiator des fraktionsübergreifenden Verhandlungsvorschlags von FU-Dozenten zur Überwindung der politischen Ratlosigkeit im Uni-Streik

Am Dienstag stellte sich eine Initiative von linken und rechten FU-Dozenten vor, die als Reaktion auf die Studentenproteste einen Forderungskatalog an FU-Präsident Heckelmann und den Senat aufgestellt hat (die taz berichtete gestern). Auf einer studentischen Vollversammlung fand die Initiative zwar ein geteiltes Echo, dennoch ist sie nach den rhetorischen Ausweichmanövern und den polizeilichen Einschüchterungsversuchen durch Heckelmann und Turner der erste Versuch einer politischen Antwort auf die Studentenbewegung.

taz: Ist das eine Stellvertreter-Initiative, stellvertretend für die Forderungen der Studenten selber?

Hajo Funke: Ich würde eher sagen, eine Initiative von Mittlern aus der Linken und der Mitte.

...und von Konservativen.

Es ist interessant, daß selbst Alexander Schwan auf der Dozentenversammlung am letzten Freitag unsere Initiative unterstützt hat. Worum wir uns bemühen ist Transparenz, Durchsichtigkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zwischen den verschiedenen hochschulpolitischen Gruppen. Wir müssen sehen, daß ein Teil dieser Fronten von vergangenen Schlachten ist, die lagermentalitätsmäßig tradiert werden, statt sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Mein Eindruck ist, daß ein Großteil der zusätzlichen Probleme daraus resultiert, daß Abwehr und falsche Zuschreibung dominieren - von seiten der Professoren etwa, wie ich das gehört habe, daß die Studenten Terroristen seien, nur sprachlos seien oder nicht wüßten, was sie wollten und dergleichen. Statt sich der Herausforderung zu stellen und den Dialog zu suchen, einen Dialog aber, der folgenreich sein muß, sonst sagen die Studenten zu recht: Labertaschen.

Könnte Eure Initiative nicht den Studenten in den Rücken fallen? Ihr gebt Heckelmann die Möglichkeit, jetzt verhandlungsbereit zu scheinen, und wenn dann Ruhe eingekehrt ist, wird möglicherweise die alte Politik fortgesetzt.

Die Studenten sind viel klüger und souveräner, als du denkst. Wir haben einen Vorschlag gemacht. Wenn der Präsident und auch der politische Senat nicht entschieden darauf reagiert, werden die Studenten das auch merken. Umgekehrt ist unser Interesse ja, die Situation zu öffnen, daß sich überhaupt etwas bewegt auf seiten der universitären Gremien und Gruppierungen und daß auch die Ratlosigkeit der Studenten mit aufgegriffen wird. Es ist ja eine Ratlosigkeit, die daraus resultiert - mein Gott, unsere Forderungen sind ja berechtigt, sie werden als berechtigt anerkannt und niemand geht auf sie ein. Das ist eine logisch absurde Situation. Und in dieser absurden Situation des Abwartens und Aussitzens, bei dieser Entschlußlosigkeit vieler zuständiger Gremien ist es nur rational und entspricht in der Tendenz den Interessen der Studenten, daß man die politische Seite und die Universitätsspitze auffordert, auf die zentralen Forderungen nach Mitbestimmung, materieller Zuwendung, Frauenförderung zu reagieren.

Man muß ja sehen, die große Mehrheit der Streikenden reflektiert ihre Funktion in der Gesellschaft, fragt, ob die Universität wirklich noch unabhängig ist. Es wäre geradezu absurd, wenn man sich seitens der Professoren, aber auch seitens der politischen Kräfte dieser Herausforderung nicht stellt. Das ist eine große Chance.

Interview: Winfried Sträter