Faulender Fleischklumpen

■ Peter Kriegs neuer Film „Maschinenträume“

Der ambitionierte Film über die Zukunft des Menschen ist ein merkwürdiger Zwitter: Einerseits geht einem Peter Kriegs intellektuell-religiöse Geschwätzigkeit ganz schön auf die Nerven, dann und wann läßt er aber Leute zu Wort kommen, deren phantastischen Visionen man gerne länger lauschen möchte. Kriegs These, daß wir erst in der Lage sind, die wahre Bedeutung von Technik als Wunsch- und Angstmaschine zu erkennen, wenn wir „unsere innere Realität der Gefühle wahrzunehmen bereit sind„, klingt nach modischem New Age.

Nicht weniger enervierend ist ein stilisierter „Träumer“, der alle paar Minuten im Film auftaucht und mit Kabeln und Schläuchen an allerlei technisches Gerät angeschlossen ist: ein plump-billiges Abziehbild, wie es sich mal wieder nur ein deutscher Filmemacher ausdenken konnte, der oberlehrerhaft seine Thesen „illustrieren“ will. (Der Film wurde vom Fernsehen und der Landeszentralle für politische Bildung NRW mitfinanziert...)

Immerhin redet Peter Krieg nicht maschinenstürmenden Babybolschewiken das Wort (und gibt es ihnen auch nicht), sondern versucht, an vorderster Front Erkenntnisse zu gewinnen. Jesco von Puttkamer, deutschstämmiger NASA -Direktor, erläutert seine Fantasien vom Menschen im Weltall: Menschen lieben den Kampf, Menschen brauchen einen Feind, also warum nicht die Eroberung des Weltalls als völkereinigenden Krieg betreiben...

Diese etwas altbackenen Träume eines Wernher von Braun -Imitats werden mit raffiniert gefilmten Maschinen konfrontiert, von „Maschinenkünstlern“ wie Jim Whiting oder Shunichi Mizuno entworfen. Die seltsam befremdenden Schauspielpuppen des Japaners Mizuno vollführen ohne jede Gefühlsregung menschliche Tätigkeiten, während Jim Whitings pressluftbetriebener „Vogelapparat“ - der weder mit Mensch noch Tier die geringste Ähnlichkeit hat - heftige Emotionen beim Betrachter auszulösen vermag: ein bedrohlich, um-sich -schlagendes Monster, das sich schon im nächsten Moment zu einer behindert-mitleiderregenden Kreatur verwandeln kann.

Wirklich aufregend aber die Einblicke in das Denken führender Wissenschaftler, die wie Wesen aus visionären Science-Fictions über die Zukunft fabulieren. Marvin Minsky, einer der Väter der artificial intelligence vom Bostoner M.I.T.: „Eines Tages, wenn wir wissen, wie der Verstand arbeitet, werden wir begreifen, daß es nicht notwendig ist, krank zu sein oder im Alter das Gedächntis zu verlieren oder zu sterben. Man kann dann alle Elemente seiner Persönlichkeit in einen anderen Körper, einen Maschinenkörper, verpflanzen, der erhalten wird und kontinuierlich wächst, so daß wir nicht auf ewig mit unseren Begrenzungen leben müssen. Das hat auch Faust verstanden, aber er hatte natürlich unrecht in seinem Fall, denn er handelte mit dem Teufel. Aber wir handeln mit Maschinen, und das ist ein wenig neutraler und die Möglichkeiten sind vielversprechender...“.

Einerseits wissen wir: Alles was man tut oder getan hat, jede gottverdammte Aktivität, führt unweigerlich zu einem faulenden Fleischklumpen. Früher oder später. Meistens früher. Und dann fabuliert jemand wie Marvin Minsky von der vielleicht bald möglichen Unsterblichkeit...

Wären da nicht immer wieder Kriegs wichtigtuerische Quasseleien über „Seelenlagen“ und „Primärgefühle“, dieser Film hätte Zukunftsmodelle auf eindringliche Art vor Augen führen können. So aber bleibt es bei gutgemeinter Seelenmassage für linke Träumer.

Torsten Alisch

Peter Krieg: Maschinenträume