Götterspeise für Atheisten (Talkshow, Freitag, 21.55 Uhr)

(Talkshow, Freitag,21.55 Uhr) - Von Aachen bis Würzburg hatte Lea Rosh jeden bundesrepublikanischen katholischen Bischof angerufen, um in ihrer Talkshow einen Kontrahenten für Uta Ranke-Heinemann zu haben. Aber die Herren hatten alle so furchtbar viel zu tun. Man kennt das ja: Einsegnungen, Konferenzen, tröstende Worte für irrende Schafe, Devisen- und Waffenschmuggel, Predigten, Taufen und Beerdigungen. Da kann man sich nicht noch einen Freitag abend um die Ohren schlagen, um das Wort Gottes vor ein paar Millionen Zuschauern gegen die Anpöbelungen einer Professorin zu verteidigen, der man - kirchlicherseits - die Lehrerlaubnis ja schon entzogen hat.

Am Schluß wurde Lea Rosh fündig: Auxiliarbischof Kurt Krenn aus Wien: ein Mann der Wissenschaft, immerhin lange Jahre Professor für systematische Theologie und vor zwei Jahren gegen den massiven Widerstand der Wiener Katholiken vom Papst ihnen an die Spitze gesetzt. Natürlich waren auch noch ein paar andere Damen und Herren mit von der Partie, aber es war klar: die gehörten ins Beiprogramm. Der entscheidende Fight war der zwischen Bischoff Krenn und der Herausforderin Uta Ranke-Heinemann.

Sie saß dem Herrn gegenüber, der aussah als hätte Balzac ihn direktemang aus den Tolldreisten Geschichten ins Leben entlassen. Als dann der Gong zur ersten Runde kam, da war sie sofort am Mann: Ich möchte nichts gegen Sie sagen, Herr Bischof, ich kenne sie nicht, aber reden wir doch einmal vom Papst. Was soll das, wenn er Aids-Kranken die Verwendung des Präservativs verbietet? Soll die Seuche weiter verbreitet werden? Krenn notierte sich fleißig alles. Dann, als die wortgewandte Professorin zu Ende war: Mein Showwert ist nicht so groß wie das, was eben geboten wurde. Ich kann jetzt nicht auf alles eingehen. Möchte es aber nicht einfach im Raume stehen lassen. Ich möchte mich dagegen verwahren. Was da eben gesagt wurde, widerspricht der Lehre der Kirche. Wir stehen vielmehr auf dem Standpunkt ... Es ist nicht Aufgabe der Kirche, den Leuten zu sagen, wie sie unbeschwert weiter sündigen können. Bestimmte sexuelle Praktiken können wir nicht billigen. Freilich trifft Aids jetzt auch Unschuldige, um sie muß die Kirche sich kümmern, wir müssen ihnen helfen. Ich würde mich freuen, wir würden gegen Aids mehr tun als alle anderen.

Krenn redete sich und seinen Verein um Kopf und Kragen. Wer ist außer ein paar verstockten, offensichtlich nicht nur am Gehirn Amputierten schon der Meinung, daß es bei Aids Leute gibt, die an ihrer Krankheit schuld sind? Krenn war offensichtlich unfähig, auf auch nur eines der Argumente einzugehen. Wenn Frau Ranke-Heinemann von der systematischen Lustfeindlichkeit der Kirche sprach, so erklärte er ihr, daß man das anders sehen müßte, prinzipiell, holte aus und bestätigte so nur, daß es nicht um hie und da ein paar Ausrutscher durchgedrehter Theologen, sondern um eine gesamtkirchliche Infamie ging.

Nach zwei Runden füllte er ausgeknockt seinen Sessel und hatte vorgeführt, daß ein Emeritus für Systematische Theologie, daß der für Wissenschaftsfragen zuständige Wiener Bischof, der Intimus des Heiligen Vaters, Kurt Krenn, unfähig ist, den Argumenten einer von seiner Organisation abgekanzelten Professorin Paroli zu bieten. Ein gefundenes Fressen für Atheisten. Götterspeise. Eine Sendung, die das hundertfache der Fernsehgebühr wert war.

Vielleicht aber, dafür spricht einiges, war Krenn der einzige Ungläubige. Ein Karrierist verrät seine Firma nicht darum nicht, weil er an ihre Produkte glaubt, sondern weil sie ihm den Aufstieg ermöglicht. Vielleicht ist Krenn auf kein Argument eingegangen, weil Argumente ihm gleichgültig sind. Er weiß selbst, daß Mutterschaft und Jungfräulichkeit nicht zusammen gehen. Aber was sich darüber aufregen: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Warum soll von bigotten Pfaffen nur in der Vergangenheit die Rede sein?

A.W.