Dialog von oben oder unten

■ Gegen die „unrechtmäßigen Mittel“ der StudentInnen, die Besetzungen, doubled Uni-Rektor Timm die studentischen Vollversammlungen / Angebot: Kommission gegen sofortige Freigabe von MZH und GW 2

Zur „Vollversammlung in der Mensa“ wurde gestern 10 Uhr durch eine Riesenanzeige im Weser-Kurier Studenten, Mitarbeiter und Professoren gebeten. Inserent: der Rektor der Universität Bremen. Jürgen Timm, seit Tagen von seinen eigenen Amtsräumen im Mehrzweckhochhaus (MZH) durch dessen Besetzung abgeschnitten, von den studentischen Vollversammlungen ausschlossen, versuchte auf diese

Weise, Partner für seine Dialogstrategie zu finden. Dieer war es zu verdanken, daß Chemie-und BiologiestudentInnen die Besetzung des NW 2-Gebäudes am Dienstag beendeten, (aber für die bundesweiten Forderungen weiterstreikten). Durch Timms Eingreifen waren in einem von vier Forderungspunkten Fortschritte gegen die Durchschulung des Studiums mit mündlichen Prüfungen und für die Erhaltung des Projekt

studiums erzielt worden. Die StudentInnen honorierten den Kompromiß in der jahrelang umstrittenen Biologie -Diplomprüfungsordnung, der in den Besetzungstagen in einer viertelparitätisch besetzten Kommission ausgehandelt, von Timm unterstützt und am Montag vom Bildungssenator Franke befürwortet worden war. Für den Fall, daß der Fachbereichsrat die Zustimmung am nächsten Montag verweigert, hat

die studentische Vollversamm lung die Wiederaufnahme der Besetzung beschlossen. Drei anonym bleibende professorale Mitglieder hatten nämlich die für Dienstag angesetzte Sondersitzung des Fachbereichsrats aus Formgründen boykottiert.

Die Mensavollversammlung des Rektors sollte die Dialagstrategie auf die Restuni anwenden. Timms Angebot: Er verzichtet auf polizeiliche Räumung, die StudentInnen - am besten sofort ab Mittwoch - auf die Besetzung (insbesondere des MZH), werden dafür aber drittelparitätisch an einer Kommission beteiligt, die den Rektor in den anstehenden Fragen der Höhe und der Verteilung der Überlastmillionen berät. Bildungssenatsdirektor Reinhard Hoffmann hatte in der Sitzung der Bildungsdeputation am Montag den Rektor in diesen Fragen zum ausschließlichen Verhandlungspartner der Behörde erklärt. Die StudentInnen hörten sich das ruhig an, einschließlich Prof. Rudolf Hickels Philippika über den „Amoklauf“, den die Besetzungen darstellten, obwohl viele in der Veranstaltung einen Affront gegen den Streik sahen. Als der Rektor aber Versammlung aufrief, sofort über seinen Vorschlag abzustimmen, endete die Versammlung in Tumult der StudentenInnen.

Zwei Stunden später stimmte eine studentische Vollversammlung an gleicher Stelle mit großer Mehrheit für einen Offenen Brief: Dialog ja, aber sofortige Abstimmung, ohne den jeweiligen Stastusgruppen Gelegenheit zur Diskussion zu geben, das sei Dialog von oben und nicht ernsthaft. Ansonsten stimmten die anwesenden

StudentInnen einem weitestreichenden ellenlangen Forderungkatalog zu: Frauen an die Spitzen aller Berufungslisten, Prüfungsordnungen nur mit Zustimmung der StudentInnen, Beseitigung der Wohnungsnot, Aussetzung von Hochschulentwicklungs-und Hochschulgesamtplan etc. Die Anwesenden reagierten diskussionslos aber mit großen Mehrheiten.

Eine Frau aus dem betroffenen Fachbereich 3 der Mathematiker und Informatiker wies auf den Widerspruch zwischen der Mühe hin, auch nur die eine Tür des MZH besetzt zu halten und den „bombastischen Forderungen, die nicht mal mehr mit Bremen zu tun haben.“ Im Endergebnis wurde eine Delegation aus Mitgliedern des Streikrats bevollmächtigt, die Verhandlung mit dem Rektor um die Freigabe des MZH mit einem etwas zugespitzteren Katalog zu beginnen: zu der Aussetzung von Hochschulgesamt-und Hochschulentwicklungsplan und der harten Quotierung wird der Verzicht auf Sanktionen für Streikende und Besetzende verlangt. Worunter auch die Verlängerung der Bafögförderung für das Streiksemester verstanden wird und die Verschiebung vorgesehener Prüfungstermine. Auf den Kommissionsvorschlag des Rektors gingen die StudentInnen insofern ein, als sie verlangten, daß eine solche beratende Kommission auch vom politischen Senat anerkannt und durch Kommissionen auf Fachbereichsebene ergänzt wird. Angenommen fast ohne Gegenstimmen geht das Paket jetzt auf Dialogtour mit dem Rektor.

Uta Stolle