Trier: Keine Chance für Blockierer

Trierer Landgericht setzt Verurteilung von friedensbewegten Blockierern fort / Urteil gegen Pfarrer wegen Bitburg-Blockade nur abgemildert / Gericht wertet jede Blockade als „verwerfliche Nötigung“  ■  Aus Trier Hans Thomas

Erbsenzählerei vor Gericht mal anders: Der ehemalige Wolfsburger Pfarrer Henning von Wedel (63) hält dem Richter eine zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmte Erbse entgegen. Die in den Mittelpunkt des Gerichtsinteresses gerückte Erbse sei - erklärt Wedel dem etwas ratlos auf das Gemüse stierenden Richter Richard Brühl - Symbol für das Waffenarsenal auf der Bitburger Air-Base. Henning von Wedel ist wegen Teilnahme an den Blockadeaktionen gegen die Militärbasis im „heißen Herbst“ 1983 angeklagt.

Zur Konsternierung des Staatsanwalts zieht der Pastor schnell noch einen Beutel mit 6.000 Erbsen, „stellvertretend für das weltweite Waffenpotential“, aus der Tasche. Als der Geistliche noch rhetorisch erwägt, die Erbsen im Saal der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts zu verstreuen, rutscht der massige Saaldiener nervös auf seinem Stuhl herum. Gewaltfrei verzichtet Wedel auf weitere Demonstrationen seiner friedenspolitischen Ansichten und plaziert die Erbsen wackelig auf der Kante seiner Anklagebank.

Am Dienstag abend verurteilte das unter Insidern berüchtigte Gericht den friedensbewegten Pfarrer im Ruhestand wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu 20 Tagessätzen a 50Mark. Der Prozeß gegen Wedel gehört zum spektakuläreren Teil einer Revisionswelle von TeilnehmerInnen der Bitburg-Blockaden gegen die Nato -„Nachrüstung“, die derzeit - über fünf Jahre nach den Aktionen - vor das Trierer Landgericht schwappt. Die „kriminelle Karriere“ des mittlerweile in Berlin lebenden evangelischen Pastors unterscheidet sich im Inhalt wenig von der anderer als „Straftäter“ verurteilter TeilnehmerInnen von Blockaden gegen die Stationierung von „cruise missiles“ und Pershing- II-Raketen. „Maximal acht Minuten“ hatte Wedel gemeinsam mit rund 80 anderen am 3.9.1983 mit einer Sitzblockade eine Nebenzufahrt zur Militärbasis Bitburg versperrt. Dann wurde er verhaftet und „an der Gefangenensammelstelle abgegeben“, wie das Protokoll vermerkt.

Soweit, so üblich. Bei den erstinstanzlichen Prozessen scherten die Richter des Bitburger Amtsgerichts dann im Fall Wedel allerdings aus ihrer Praxis der Fließbandurteile aus. Während alle Mitangeklagten stereotyp mit 30 Tagessätzen abgeurteilt wurden, sollte der Pfarrer 40 Tagessätze (2.000 Mark) berappen. Die Begründung der Eifelrichter: Als Pastor habe Wedel eine „besondere Leitbildfunktion in der Öffentlichkeit“, junge Menschen ließen sich von ihm möglicherweise zu Straftaten hinreißen.

Im Revisionsverfahren hätte der Pastor, der wegen des Urteils auch ein kirchliches Amtszuchtverfahren überstehen mußte, formell rehabilitiert werden können. Die Kammer milderte den Schuldspruch jetzt zwar ab, verwarf aber ausdrücklich alle anderen Teile der Revision. Das Urteil kam nicht überraschend: Revisionsbenachrichtigungen an BlockiererInnen waren schon vorher mit dem dezenten Hinweis unterlegt, nach dem BGH-Urteil vom 5.Mai 1988 werde vom Trierer Gericht jede Blockade zwingend als verwerfliche Nötigung gewertet.