„Studis aller Fächer, verteidigt Euch!“

Jetzt auch Hannoveraner Universität mehrheitlich im Streik / 8.000 StudentInnen protestierten vor dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium / In München wird „Uni bei Nacht“ in zwei Schichten studiert  ■  Von J.Voges und L.Koch

Hannover/München (taz) - „Zwangsexmatrikulation für Albrecht und Co“, „Spenden für Studenten statt für Spielbanken“ - mit über hundert Transparenten zogen nun auch gestern in Hannover 8.000 StudentInnen zum Wissenschaftsministerium, forderten mit „Feigling, Feigling„-Rufen Minister Johann -Tönnies Cassens auf, sich der Menge zu stellen, und verschafften mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert ihrer Wut über dessen Streichungspolitik Luft. Auf einer Vollversammlung von 3.000 Studenten im Lichthof der Universität Hannover hatten sich zuvor die meisten naturwissenschaftlichen Fachbereiche und auch die Architektur- und Jura-StudentInnen dem Streik von fünf geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen angeschlossen, die inzwischen auch ihre Institute besetzt haben. Die Universität Hannover befindet sich nun mehrheitlich im Streik.

Vordringlich richtete sich die gestrige Demonstration gegen die Absicht von Wissenschaftsministers Cassens, an den lehrerausbildenden Fachbereichen der Uni Hannover 40 Prozent der Studienplätze abzubauen. Der geplante Abbau werde genau in der Zeit zu weniger Absolventen führen, wenn in den 90er Jahren wieder viele Lehrer gebraucht würden, erklärte eine Pädagogikstudentin. Der Dekan dieses Fachbereiches forderte den Wissenschaftsminister auf, endlich mit der Poltik Schluß zu machen, die „durch Streichungen Studentenströme lenken“ wolle. Die 8.000 Studis demonstrierten auch für den Erhalt der Magisterstudiengänge in den Geisteswissenschaften und gegen die Einführung der Zwangsexmatrikulation und die Verschlechterungen bei der studentischen Krankenversicherung. Minister Cassens selbst hatte am Tag zuvor auf das gestern ausgelaufene Ultimatum der hannoverschen Studenten mit einer Litanei von geschönten Zahlen geantwortet. 40 bis 50 Millionen Mark an zusätzlichen Mitteln, so behauptete Cassens am Mittwoch, würden den niedersächsischen Hochschulen zur Bewältigung einer Höchstzahl von Studienanfängern zur Verfügung gestellt. Dabei hatte der Ministers aber auch Mittel des Bundes aus dem Möllemann-Programm und Überlastmittel mitgezählt, die die Hochschulen seit Jahren regelmäßig erhalten.

„Uni bei Nacht“

Mit einem „Pilotprojekt Uni bei Nacht“ haben Münchner Studenten von der Ludwig-Maximilians-Universität auf die Vorschläge Möllemanns reagiert. Der Bundesbildungsminister hatte vorgeschlagen zur Behebung der Raumnot an den Hochschulen Kinosäle zu benutzen. Da die Münchner Studis kein Kino fanden, griffen sie den Vorschlag des bildungspolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion, Erich Schosser, auf. Seine Glanzidee: den Lehrbetrieb auch außerhalb der bisher üblichen Zeiten abzuhalten. Bereits am Dienstag abend dieser Woche studierte die erste Nachtschicht im Gebäude der Geschwister-Scholl-Uni. Dazu eingeladen hatten die Studenten auch Möllemann. Bis Semesterende streiken die StudentInnen an der Fachhochschule für Sozialpädagogik in München-Bogenhausen. Selbst die katholischen Theologen im schwäbischen Augsburg haben sich zum Streik entschlossen. Für kommenden Samstag ist nochmals eine Demonstration der Münchner GeisteswissenschaftsstudentInnen angekündigt.