Quellensteuer für Ehrliche

■ Jetzt müssen BremerInnen sich entscheiden, ob sie „steuerehrlich“ bleiben oder werden wollen Amnestie des Finanzamtes für hinterzogene '86er und '87er Steuer-Vergeßlichkeiten

Quellensteuer ist seit Monaten erschröckliches Gesprächsthema von Gröpelingen bis ins Viertel. Jetzt macht ein neues Reizwort die Runde: Nacherklärung heißt es harmlos-bürokratisch und betitelt ein Blatt, das in diesen Tagen den BremerInnen mit den Formularen zu Einkommenssteuererklärung und Lohnsteuerjahresausgleich ins Haus geflattert ist. Sein ebenso schlichtes wie aufwühlendes Anliegen: Wer Ein

künfte aus Kapitalvermögen (Zinsen aus Sparbüchern, Bausparverträgen u.a.) bisher nicht ordnungsgemäß angeben hat, kann das für 1986 und 1987 bis Ende 1990 „richtig und vollständig“ nachholen. Die nacherklärten Einkünfte werden dann versteuert, zusätzlich werden Hinterziehungszinsen von 0,5 Prozent pro Monat kassiert. Ein Prozeß wegen Steuerhinterziehung steht nicht ins Haus, Steuerhinterzie

hungen vor 1986 interessieren das Finanzamt nicht mehr. Deshalb heißt die Operation im Steuerjargon Amnestie. „Niemand ist verpflichtet, die Nacherklärung abzugeben“, erklärt Johann Bergmann vom Finanzsenator, „jeder kann entscheiden, ob er steuerehrlich werden will.“

Ab dem Steuerjahr 1988 sind die FinanzbeamtInnen dann stur. Lohnsteuerjahresausgleich und Einkommenssteuererklärung bearbeiten sie nur noch, wenn das Formular Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgefüllt ist. Wer nichts anzugeben hat, muß in der entsprechenden Rubrik das Kreuzchen machen und unterschreiben (Ehepaare müssen beide zur Feder greifen). Unausgefüllt weglegen, wie das die meisten BremerInnen bisher getan haben, ist nicht mehr.

Die Attacke auf die Kapitaleinkünfte hat die kapitalfreundliche Bundesregierung gestartet, nachdem ein Blick in die Statistiken sie lehrte, daß von 100 Prozent Zinszahlungen der Banken nur etwa 60 Prozent bei den Finanzämtern unter Einkünfte aus Kapitalerträgen aufgetaucht sind. Das brachte Bonns ewig klamme Regierende auf die Idee von der Quellensteuer, die die Banken pauschal auf alle bei ihnen anfallenden Zinsen zahlen.

Doch damit sind Bausparerinnen und Wertpapierbesitzer keineswegs aus dem Steuer-Schneider. Denn wer 30 Prozent Lohn-oder Einkommenssteuer zahlt, muß auch die Kapitaleinkünfte mit 30 Prozent versteuern. Da die

pauschale Quellensteuer aber nur zehn Prozent beträgt, muß individuell zugezahlt werden; in unserem Beispiel sind das 20 Prozentpunkte.

Ab nach Luxemburg?

So gesehen lohnt sich der von den Banken angebotene Ausweg ins quellensteuerfreie Luxemburg nicht. Denn wer seine Spargroschen quellensteuerpflichtig in der Bundesrepublik anlegt, dem ziehen die FinanzbeamtInnen die bereits gezahlten zehn Prozent von der Steuerschuld ab. Wer das Vermögen ins quellensteuerfreie Ausland geschafft hat, muß seine Einkünfte aus Vermögen unvermindert versteuern. Auch Sparzinsen mit gesetzlicher Kündigungsfrist, die quellensteuerfrei sind, werden auf diese Weise in voller Höhe (des individuellen Steuersatzes) belastet. Luxemburg lohnt sich also nur für Leute, „die nicht steuerehrlich werden wollen“ (Bergmann). Bei soviel neuer Ehrlichkeit drängt sich unweigerlich die Frage auf: Was passiert mit den ganzen ehrlichen Daten? Zum Beispiel A.: Er hat 1986 Arbeitslosenhilfe bezogen. Unter dem Eindruck der Nacherklärung entschließt er sich umgehend zur Steuerehrlichkeit und bekennt, Zinsen aus diversen Quellen in Höhe von 900 Mark bezogen zu haben. Soviel Ehrlichkeit ist nicht nötig. Denn weil jede Person einen Grundfreibetrag von etwa 6.000 Mark hat, muß er nichts zahlen (vorausgesetzt er hat nicht andere Einkünfte verheimlicht).

Anders gelagert ist der Fall bei Arbeitslosenhilfe -Bezieherin B., die 1986 7.000 Mark Zinsen unversteuert kassiert hat. Auch wenn sie sonst keine Einkünfte hatte, muß sie zahlen, weil sie den ihren Grundfreibetrag überschritten hat. Für beide gilt: Sie haben Arbeitslosenhilfe bezogen, obwohl sie über eigenes Vermögen verfügten. Sind die Informationen erst vorhanden, könnte das die Arbeitsbehörde interessieren.

Auf entsprechende Nachfrage reagieren verschiedene Beamte unterschiedlich. Johann Bergmann vom Finanzsenator verweist auf das Steuergeheimnis. Heiner Kuhlmann, im Finanzamt Bremen-West ist da nicht so sicher. „Wir haben eine Auskunftspflicht gegenüber Arbeits- und Sozialverwaltungen“, sagt der Mann von der Steuer-Basis.

Dieter Bohlen vom Arbeitsamt weist ein allgemeines Nachforschungsinteresse weit von sich. Seine Behörde ermittle nur bei Verdacht auf Leistungsmißbrauch, wenn beispielsweise eine Anzeige vorliege. Andererseits gebe es verschiedene direkte Daten-Drähte, zum Beispiel zwischen Finanzamt und Kindergeldkassen, zwischen Rentenversicherungsträger und Arbeitsamt. Alles auf gesetzlicher Grundlage. Und natürlich kann Dieter Bohlen nicht ausschließen, daß es nicht eines Tages auch eine Datenüberspielung zwischen Finanzamt und Arbeitsamt geben wird - auf gesetzlicher Grundlage natürlich.

Gaby Mayr