„Das war eine Knochenarbeit“

■ Heftig erstritten wurden die Streikforderungen nach Stellenquotierung und feministischer Forschung und Lehre Studentinnen der Technischen Universität Berlin berichten über ihre Erfahrungen

taz: Wie nie zuvor sind in diesem Streik die Studentinnen mit ihren Forderungen präsent. Ob an der Freien Universität oder Technischen Universität - überall heißt es: Wir wollen eine Quotierung aller Stellen, wir wollen feministische Forschung und Lehre an allen Fachbereichen. Wie kam es dazu?

Claudia: Das ist eine dumme Frage. Sie zeigt, daß es immer noch auffällt, wenn Frauen Forderungen stellen. Außerdem muß man die heutige Situation auch sehr kritisch betrachten. Wir spüren am eigenen Leib, wie schwierig es ist, diese Forderungen durchzusetzen. Denn warum sollte sich das Bewußtsein unserer Kommilitonen auf einmal so stark gewandelt haben?

Elke: Nicht alle Männer tragen unsere Forderungen selbstverständlich mit. Wir haben abende- und nächtelang darum gekämpft.

Susanne: Das war wirklich eine Knochenarbeit.

Habt Ihr Abstriche gemacht?

Susanne: Wir wollten auch eine quotierte Studienplatzvergabe: Bei den Numerus-Clausus-Fächern sollte, bei ausreichender Bewerberinnenzahl, mindestens die Hälfte der Plätze an Frauen gehen. Für die Stellenquotierung waren die Studenten ja noch, das geht sie ja nichts an. Aber sie waren massiv gegen quotierte Studienplätze.

Claudia: Wir wollten außerdem, daß an allen Fachbereichen hauptamtliche Stellen für Frauenbeauftragte eingerichtet werden. Das kam nicht durch, statt dessen wird jetzt nur allgemein eine Frauenbeauftragte für die gesamte TU gefordert. Das Vetorecht, das wir für die Frauenbeauftragte haben wollten, kam nicht durch. Und auch nicht die rechtliche Absicherung von Frauen-Tutorien.

Elke: Was wir erreicht haben, ist natürlich erstmal trotzdem ein Erfolg. Wenn ich mir anschaue, was an anderen Hochschulen passiert, bin ich eigentlich recht zufrieden.

Barbara Schaeffer-Hegel: Sicher mußtet ihr hinter den Kulissen ganz schön kämpfen. Aber gemessen an früheren Streiks ist es schon ein großer Erfolg, wenn von allen die Schreibweise StudentInnen gebraucht wird. Oder wenn, wie an der Hamburger Universität, die Redelisten quotiert werden, und ein Mann erst wieder reden darf, wenn zuvor eine Frau geredet hat. Das sind kleine, aber wirksame Signale, die in der Öffentlichkeit ankommen.

Claudia: Trotzdem: Wir müssen immer wieder sagen: Nein, so ist die Ausdrucksweise. Es ist eine Sisyphosarbeit.

Elke: Frauen müssen faktisch in jedem Gremium anwesend sein. Wir müssen zum Inhaltsrat, zum Aktionsrat, zu den Vollversammlungen gehen, damit unsere Forderungen ja nicht wieder untern tisch fallen. Das ist sehr anstrengend, und an manchen Fachbereichen sind wir einfach zu wenige, um das alles zu kontrollieren.

Es gibt zwei Stränge: Ihr wollt die Quotierung, also gezielte Frauenförderung, und Ihr wollt feministische Forschung und Lehre. Wie wird das an Euren Fachbereichen diskutiert?

Elke: Bei uns am Fachbereich Psychologie gibt es einen Weiberrat und eine spezielle Gruppe, die sich damit auseinandersetzt. Wir wollen die gängige Forschung und Lehre auf ihre patriarchalen Inhalte hin hinterfragen: Ist zum Beispiel die Psychoanalyse nur eine Verklärung oder aber auch eine Analyse des Patriarchats?

Ulla Bock: All diese Fragen sind ja schon früh gestellt worden, auch von uns, der Zentraleinrichtung Frauenforschung an der FU. Es gibt schon eine ganze Reihe von Arbeiten dazu, außer vielleicht in den Naturwissenschaften. Für die Studentinnen ist es sicher nicht einfach, sich all das im Nachhinein anzueignen, und daraus möglicherweise Neues zu entwickeln.

Aber es wäre wohl nicht gut, wenn sie von Null anfangen würden. Insofern ist es von der Sache her vielleicht nicht so ganz glücklich, daß Ihr in diesem Streik diese scharfe Grenze zum Mittelbau und zu den Professorinnen zieht.

Susanne: Wir sind zur Zeit aber im Streik. Da ist eine Trennung erstmal sinnvoll. Wenn Studentinnen mit Professorinnen reden, hat das Gespräch leicht einen Charakter von Bevormundung.

Elke: Das heißt ja nicht, daß die Gruppen, die an der Universität einen anderen Status haben, sich mit uns nicht solidarisieren könnte.

Barbara Schaeffer-Hegel: Worin soll diese Solidarisierung bestehen? Professorinnen und Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen haben solche Forderungen bis zur Erschöpfung an unserem Fachbereich und anderswo vorgetragen. Eure Forderungen waren schon immer auch unsere.

Elke: Aber wir kritisieren, daß ihr Professorinnen zu pragmatisch geworden seid. Wir üben ja auch eine grundlegende Kritik an diesen Institutionen. Es reicht uns nicht, irgendwelche Papiere in den Akademischen Senat einzubringen und zu hoffen, daß diese Männermehrheit zustimmt. Die Professorenmehrheit ist auch eine Männermehrheit, und die muß gebrochen werden.

Wie könnte denn künftig feministische Lehre in Euer Studium integriert werden?

Susanne: Wir wollen kritische Patriarchatsanalyse im allgemeinen Lehrangebot an jedem Fachbereich. Das muß in die Studien- und Prüfungsordnung aufgenommen werden.

Lara: Oje, wenn ich an meinem Fachbereich Energie- und Verfahrenstechnik ankäme und sagte: Wir Frauen haben beschlossen, daß ein verbindlicher Grundkurs eingeführt wird, der sich mit Feminismus auseinandersetzt... Zum Glück haben die keine Eier dabei.

Regine Reichwein: Wir meinen nicht Feminismus allgemein, sondern eine fachbezogene Lehre.

Lara: Gut, aber alles, was nicht sein muß, wird abgelehnt, gerade, wenn das etwas mit Frauen zu tun hat. Die Studenten würden solange weiterstreiken, bis das wieder rausgenommen wäre.

Vielleicht ist es möglich, daß Frauen aus den Sozialwissenschaften in die naturwissenschaftlichen Fächer gehen, und mitdiskutieren. Gerade diese Bereiche werden die Gesellschaft ja prägen, und weniger die Germanistik oder die Psychologie.

Elke: Ja, wir müssen uns verständigen. Jetzt sind Gespräche zwischen Sozialwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlerinnen geplant. Eine gewisse Interdisziplinarität hat auch dieser Streik schon mit sich gebracht. Ich habe noch nie mit so vielen Frauen aus so unterschiedlichen Bereichen diskutiert.

Lara: Na ja, dann sollte man das bei uns nur sehr vorsichtig fordern. Sonst geht es uns Frauen an den Kragen.