Rot, Grün, Braun

Zum Wahlergebnis der Berliner Wahl  ■ K O M M E N T A R

Eine Wahl und eine Abwahl, ein Triumph des kontaktgehemmten Paars SPD/AL und eine Niederlage der Parteien insgesamt. Regierungswechsel, Rebellion des Wählers gegen eine blasse Vereinahme des Regierenden und gegen das eher depressive Beschwören der richtigen Inhalte und außerdem: die Etablierung der Rechtsradikalen. Die CDU, die die Verwaltung von Subventionopolis schon als Erbfolge zu praktizieren gedachte, hat ihren rechten Rand nicht halten können. Es war allerdings auch der erste Test für die Organisationsfähigkeit der Rechtsradikalen. Vorher durften sie in Berlin nicht antreten.

Der Triumph von SPD und AL ist ein Paradox, ein Sieg der Argumente, weil einfach die Argumente in der Idiotie des Wahlkampfes übrigblieben. Der Wahlkampf hatte keine Zuspitzung der Auseinandersetzung gebracht, er hat die Wut der Berliner hochkochen lassen. Der Sieg ist ohne die Schlüsselpartei in Berlin, die Partei der Nichtwähler, nicht zu erklären. Die Niederlage der Parteien ist eine qualifizierte Niederlage: Schon im Wahlkampf war der Anteil der Unentschlossenen extrem hoch für die angebliche Metropole. Zwischen 20 und 40 Prozent. Was hat der Wahlkampf daraus gemacht? Einen 25 Prozent-Anteil der Nichtwähler. Alle drei sensationellen Ergebnisse, das hohe Abschneiden der Rechtsradikalen, der SPD/AL-Sieg und der Anteil der Nichtwähler läßt sich auf einen Nenner zurückführen: die Widersprüche der Stadt sind weitaus schärfer und bewußter, als es sich in den Alternativen der Parteien ausdrückte. Die Getto-Widersprüche der Stadt ließen sich nicht von einer Politik for show, vage in der Mitte, mit anrüchigen Senatoren auffangen, wie es die CDU praktizierte. Die Verschärfung der sozialen Lage, von der Gesundheitsreform bis zur Wohnungsnot, forderte einen Machtwechsel. Die Großstadt, ein ungedeckter Wechsel auf das „Europäische Haus“, hat als Subventionopolis keine Zukunft mehr. Machtwechsel war angesagt, auch wenn sich die SPD vor jeder Koalitionsaussage flüchtete. Jetzt haben die Wähler die Partei in richtung rot-grüne Koalition geschoben, ein harter Brocken für die ÖTV-Fundamentalisten. Die AL -Fundamentalisten haben inzwischen Spaß an der Politik gefunden. Die FDP ist von der Bühne verschwunden, politisch war sie es schon vorher. Bleiben die Republikaner. 8,5 Prozent für die Rechtsradikalen: Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!

Klaus Hartung