Große Koalition wäre Ohrfeige

Zum Koalitionsgeflüster in der Stadt  ■ G A S T K O M M E N T A R

Umfragen haben ergeben, daß viele Bürgerinnen und Bürger gerade die AL für unbestechlich und moralisch integer halten, auch wenn sie in einigen ihrer politischen Auftritte und Forderungen nicht dem herkömmlichen Bild von politischer Praxis entsprechen mag. Erich Pätzold hat in seinem gestrigen taz-Interview mit Recht seine positiven Erfahrungen mit den AL-Politikern geschildert. Ich meine auch, daß das Verhältnis der AL zur Gewalt in der Politik weit klarer ist als das Verhältnis der CDU zu Absahne und Machtmißbrauch im Staat.

Allerdings sollte auch die AL sich überlegen, ob es lohnt, eine Zusammenarbeit mit der SPD, in der sich viele gute und vorwärtsweisende Konzepte zu gemeinsamer Politik entwickelt haben, wegen einiger theoretischer Grundsätze wie der Zahl alliierter Soldaten und der Übernahme von Bundesgesetzen zu sabotieren und die vielleicht noch vorhandenen CDU -Sympathisanten in der SPD damit so zu stärken, daß eine große Koalition unvermeidlich würde.

Im übrigen möchte ich im Falle einer großen Koalition in Berlin nicht in der Haut Gerhard Schröders in Niedersachsen, der SPD-Kandidaten im hessischen Kommunalwahlkampf oder auch Hans-Jochen Vogels für die Bundestagswahlen 1990 stecken. Wo immer die SPD in den kommenden Jahren in Wahlkämpfe gehen müßte, könnte sie von den politisch bewußten, ihre Stimme wägenden Wählern eigentlich nur Hohnlachen ernten, denn kein Mensch würde auch nur eine Sachaussage oder gar die Kritik am politischen Gegner noch ernst nehmen, wenn diese ja nicht nur politisch, sondern zumindest in Berlin auch moralisch schwer kompromittierte Betonriege plötzlich den Handschlag als Koalitionspartner erhalten würde. Es wäre eine Ohrfeige gerade für diejenigen Wähler, die der SPD wegen ihres bislang kompromißlosen Auftretens in Sachen Verfassungsschutz noch politische Glaubwürdigkeit bescheinigen wollten.

Klaus Eschen