Jugoslawiens Armee hält sich bereit

Bei Verschärfung der Krise mit Eingreifen gedroht - mit deutlicher Stoßrichtung gegen die Opposition / Die Auseinandersetzungen nahmen am zweiten Tag der Belgrader ZK-Sitzung an Schärfe zu / Vizeverteidigungsminister kritisiert serbischen Parteichef Milosevic  ■  Von Erich Rathfelder

Berlin (afp/taz) - Die jugoslawische Armee wird sich nicht scheuen, notfalls einzugreifen, wenn die Partei die Krise in Jugoslawien nicht mehr lösen kann. Auf der Sitzung des Zentralkomitees des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens erklärte Vizeverteidigungsminister Vizeadmiral Stane Brovet am Dienstag, die Armee werde, wenn es nötig sei, „die allgemeinen jugoslawischen Interessen“ gegenüber den Sonderinteressen der Republiken verteidigen.

Mit Blick auf den serbischen Parteichef Milosevic erklärte er: „Wir widersetzen uns allen undemokratischen Methoden„; gleichzeitig ließ er die Bereitschaft der Militärführung durchblicken, notwendige Reformen zu unterstützen.

Doch gleichzeitig warnte der Militär vor oppositionellen Strömungen und stellte fest: „In einigen Landesteilen ist die Situation bereits der Kontrolle entglitten.“ Am Vortag schon hatten die Äußerungen des jugoslawischen Admirals Petar Simic aufhorchen lassen, nachdem er unverhohlen mit dem Eingreifen des Militärs gedroht hatte, wenn die Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Republiken des Vielvölkerstaates weitergehen sollten.

Unter slowenischen Oppositionellen reagierte man bestürzt auf die Äußerungen der Militärs über die Opposition. „Das läßt Schlimmes befürchten“, erklärte das Mitglied einer slowenischen Menschenrechtsgruppe gegenüber der taz. „Doch spätestens seit den Prozessen gegen Redakteure und Mitarbeiter der Zeitung 'Mladina‘ wußten wir ja, daß das Militär schon jetzt in die Innenpolitik eingreift.“

Damals habe nicht einmal die Intervention der slowenischen Parteiführung zugunsten der Angeklagten Erfolg gehabt. Und ihre Erfolglosigkeit zeige auch, daß die Gegner einer Demokratisierung der jugoslawischen Gesellschaft dem „slowenischen Weg“ Grenzen setzen wollen.

Nach den heftigen Attacken der serbischen Partei auf die vom Kroaten Stipe Suvar geleitete Führung der Gesamtpartei in den letzten Monaten habe sich immerhin nun auch die kroatische und selbst die bosnische Parteiführung gezwungen gesehen, eine Entscheidung über ihren Kurs herbeizuführen und die Weichen in Richtung Reform zu stellen.

Auch am zweiten Tag der ZK-Konferenz sind sich die Kontrahenten nicht nähergekommen. Nachdem am Montag vormittag Parteichef Stipe Suvar für die Liberalisierung der Wirtschaft und die Demokratisierung der Gesellschaft eingetreten war und autoritäre Lösungen der Krise in Jugoslawien zurückgewiesen hatte, konterten am Dienstag seine Gegner. Mitglieder der serbischen Partei forderten die Einberufung eines Sonderparteitags, auf dem eine neue Parteiführung gewählt werden soll.

Somit ist die Bedingung der Militärs bisher nicht erfüllt: die Auseinandersetzungen in der Partei haben am zweiten Tag an Schärfe zugenommen. War die Kritik am gegnerischen Flügel am Montag noch indirekt geäußert worden - selbst Milosevic versuchte in seiner Rede am Montag abend, moderat zu bleiben - fielen die Kontrahenten am Dienstag aggressiver übereinander her. So warf das serbische ZK-Mitglied Tomislav Radovic dem Kroaten Suvar vor, mit seiner Rede nur „Verwirrung“ gestiftet zu haben. Die Äußerungen Suvars in bezug auf die mehrheitlich von Albanern bewohnte autonome serbische Provinz Kosovo, in der er Kritik an der serbischen Parteiführung hatte durchblicken lassen, nannte Radovic „Sabotage“.

Gegen diese Argumentation verwahrte sich das slowenische ZK -Mitglied Boris Muzevic und griff Milosevic direkt an. Jener rede viel über die Unterdrückung der Serben in Kosovo, sei aber zu einer Sondersitzung der Partei zu diesem Thema nicht erschienen. Milosevic verfolge eine Politik des „Teile und herrsche!“ und entzweie damit Jugoslawien.

Der weitere Verlauf der Krisensitzung des ZK war vor Redaktionsschluß noch unklar. Die ursprünglich auf einen Tag angesetzte Diskussion geht offensichtlich weiter.