Zur Gleichberechtigung beitragen

Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) will Ausländern die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen Damit hätten sie das Wahlrecht auch in den Ländern und im Bund / „Sinnvolle Lösung auch im europäischen Rahmen“  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Rommel, Sie sind einer der wenigen innerhalb der CDU, die Vorschläge entwickelt haben, um Ausländern ein Stimmrecht bei Wahlen zu ermöglichen.

Rommel: Ich bin nicht für ein Wahlrecht für Ausländer, weil ich das für schwierig halte. Aber ich war und bin dafür, daß man Ausländern, die legal bei uns sind - möglicherweise schon in der zweiten oder dritten Generation - die deutsche Staatsangehörigkeit unter erleichterten Bedingungen gibt auch dann, wenn sie ihre alte Staatsangehörigkeit beibehalten wollen. Damit wären Ausländer nicht nur in den Kommunen wahlberechtigt, sondern auch in den Ländern und im Bund. Wir müssen ja die Probleme von morgen lösen und nicht die von gestern aufbewahren.

Eine Lösung, wie ich sie vorschlage, würde zu einem Stück Gleichberechtigung beitragen. Es gibt auf die Dauer für eine städtische Gesellschaft nichts schwierigeres als Einwohner oder Bürger mit unterschiedlichen Rechten. Ich glaube, daß man durch ein solches Angebot der doppelten Staatsangehörigkeit jedem zumindest die Chance geben kann, die vollen Rechte eines Deutschen zu erwerben. Gegenwärtig wird ja immer verlangt, daß die alte Staatsangehörigkeit aufgegeben wird, und das ist für viele, die der alten Heimat sehr stark verhaftet sind, ein großes Problem.

Glauben Sie denn, daß ein solcher Vorschlag in der CDU eine Mehrheit finden würden?

Solche Überlegungen sind nicht von vornherein mehrheitsfähig - wie alles, was etwas neuer ist. Aber ich habe gar keinen Zweifel, daß für diese überlegungen viel Verständnis da ist. Wir müssen uns auf Europa einstellen. Und wir müssen uns darauf einstellen, daß wahrscheinlich die Quote der Ausländer höher wird als gegenwärtig. Wenn man sieht, daß unter den Jugendlichen unter 16 Jahren in Stuttgart fast 30 Prozent Ausländer sind, dann weiß man, daß das die Zukunft ist. Die Kinder, die wir Deutschen nicht gehabt haben, die werden nicht mehr nachgeliefert werden können. Also müssen wir versuchen, diese Umschichtungen, die nun einmal mit Europa und der bisherigen Situation verbunden sind, möglichst human zu gestalten. Im übrigen bin ich auch der Auffassung, daß Deutschland versuchen sollte, in Europa die Rolle der europäischsten Nation zu spielen. Und dazu gehört natürlich auch ein konstruktives Verhältnis zu den ausländischen Mitbürgern.

Ihnen liegt daran, daß Ausländer - sofern sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen - auch an Bundes- und Landtagswahlen teilnehmen. Warum?

Ich habe das Kommunalwahlrecht immer als ein Alibi angesehen. Die Hauptanliegen der ausländischen Mitbürger richten sich doch an den Bundestag und den Landtag. Die kommunale Beteiligung bringt nicht viel und ist verfassugnsrechtlich problematisch. Aber niemand kann einem Ausländer, wenn er auch deutscher Staatsbürger ist, verwehren, sich hier politisch zu engagieren.

Wie sehen Ihre Vorschläge vor dem Hintergrund des Wahlerfolgs der „Republikaner“ in Berlin aus? Schafft das neue Hindernisse innerhalb der Parteien, überhaupt in eine solche Richtung zu denken?

Ich sehe schon gewisse Hindernisse, aber ich glaube, das sind vordergründige überlegungen. Der Erfolg der Republikaner, sofern er überhaupt auf die Ausländer zurückzuführen ist, beruht auch darauf, daß hier Asylbewerber, Wirtschaftsflüchtlinge, Einreisende aus sozialistischen Ländern und Ausländer, die schon lange hier sind und denen man das Heimatrecht nicht mehr bestreiten kann, in einen Topf geworfen werden. Ich glaube, es wäre die Aufgabe der politischen Parteien, hier aufzuklären statt zu versuchen, den Republikanern das Wasser abzugraben, indem man volltönend in diese Anti-Ausländer-Kampagne einstimmt.

Es gab schon am Abend der Berliner Wahlen von seiten der CSU Äußerungen, man müsse den rechten Wählerrand wieder einfangen - etwa durch eine Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts.

Gut wär's schon, wenn man die Wähler der Republikaner wieder einfangen könnte, aber nicht dadurch, daß man das gleiche sagt wie sie. Das wäre ein böser Tausch.

Interview: Vera Gaserow