Hamburg vorn beim Ausländerwahlrecht

■ Heute wird die Hansestadt das erste Bundesland, das Ausländern das kommunale Wahlrecht zugesteht

Jetzt stehen sie gut da, die Hamburger: Während alle Welt nach dem Wahlerfolg der „Republikaner“ in Berlin über Ausländerfeindlichkeit spricht, wird ihr Landesparlament heute abend ein kommunales Ausländerwahlrecht verabschieden. Die Hansestadt ist damit das erste Bundesland, in dem AusländerInnen aktiv und passiv an Wahlen teilnehmen können

-allerdings nur für die relativ unbedeutenden Bezirksversammlungen. Die Bürgerschaft bleibt den AusländerInnen weiterhin verschlossen.

Lange und äußerst kontrovers wurde die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer in Hamburg diskutiert. Doch als der sozialliberale Senat die Gesetzesvorlage, über die heute abend in der Bürgerschaft abgestimmt werden wird, beschloß, fiel es keinem auf. Denn: die Entscheidung wurde am 10.Mai 1988 gefällt - am Tag der turnusmäßigen Kabinettssitzung, an deren Ende Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) den verblüfften SenatorInnen erklärte, er werde von seinem Amt zurücktreten.

Die Verbindung dieser beiden Ereignisse hatte Symbolcharakter. Dohnanyi war sich zu diesem Zeitpunkt sicher, mit der Stabilisierung der SPD/FDP-Koalition eines seiner wichtigsten politischen Ziele erreicht zu haben. Und das Ausländerwahlrecht ist ein Kind dieser Koalition. Zwar hatten die Hamburger Sozialdemokraten die Forderung nach diesem Gesetz schon seit Jahren auf ihre Fahne geschrieben, doch selbst zu Zeiten absoluter Mehrheit hatten SPD -Landesregierungen diesen Schritt mit dem Hinweis auf „verfassungsrechtliche Bedenken“ abgelehnt. Fast peinlich, als dann ausgerechnet der Koalitionspartner FDP vehement und letztlich mit Erfolg - auf die Umsetzung dieses Vorhabens drängte und das Ausländerwahlrecht sogar ausdrücklich in der Koalitionsvereinbarung markierte.

Nach den Berliner Wahlen heftet sich nun auch die SPD den Orden an die Brust, in Zeiten offensichtlicher, massenhafter Ausländerfeindlichkeit ein solch fortschrittliches Gesetz durch das Parlament zu bringen. SPD-Fraktionschef Paul Busse zur taz: „Das beweist, daß wir in Sachen Ausländerpolitik auf dem richtigen Weg sind.“ Davon profitieren werden in Hamburg allerdings nur die ausländischen Bürger, die über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügen. Asylbewerber können einige Jahre in der Hansestadt leben - wählen dürfen sie dennoch nicht.

Aber auch für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis greift das Wahlrecht erst, wenn sie mindestens acht Jahre vor dem Wahltag in die Bundesrepublik eingereist sind. Eine Ausnahme bilden Angehörige von EG-Staaten. Sie werden den Bundesbürgern gleichgestellt, müssen also lediglich drei Monate vor dem Wahltag in Hamburg ihren Wohnsitz angemeldet haben. Aber selbst für sie gilt: bei der Zusammensetzung des Landesparlamentes spielen sie keine Rolle, auch Franzosen, Briten oder Italiener können sich nur an den Wahlen zu den Bezirksversammlungen (also den Kommunal-Parlamenten) beteiligen. Aber unter den rund 90.000 an der Elbe lebenden über 18jährigen Ausländern spielen sie ohnehin eine untergeordnete Rolle. Wie in anderen Städten auch überwiegen in Hamburg Türken, Jugoslawen und Polen.

Obwohl Hamburg mit diesem Gesetz als erstes Bundesland ausländerpolitisch in die Offensive geht, bleibt die Form des Wahlrechts in der Hansestadt umstritten. Unzufrieden zeigte sich das „Bündnis türkischer Einwanderer“, das nach eigenen Angaben fast 20 Vereine und Mitglieder von Institutionen umfaßt. Das Immigranten-Bündnis schlug vergeblich vor, „alle Ausländer“ sollten wahlberechtigt sein, wenn sie fünf Jahre in der BRD leben. Zusammen mit der GAL forderten auch sie, daß der Aufenthaltsstatus keine Rolle spielen sollte.

Bauchschmerzen prinzipieller Art plagen die oppositionelle CDU. Allerdings: Von der ursprünglich erwogenen Verfassungsklage gegen das Gesetz spricht die Hamburger Union heute nicht mehr. Auch nach dem Erfolg der Republikaner will sich CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau nicht in den Chor der Kollegen von der CSU einreihen: „Wir sind eine christliche Partei, und deshalb gibt es für uns auch in der Frage der Ausländerpolitik keine Wechselbäder. Der Ausländer ist unser Nächster wie jeder andere Bürger auch.“

Heute abend will die CDU dennoch gegen das Gesetz stimmen. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken sei das Gesetz nämlich auch noch „überflüssig“, heißt es. Denn: Nach der Öffnung des EG-Binnenmarktes im Jahr 1992 sei die jetzt zu verabschiedende Lösung ohnehin überholt - allerdings nur für EG-Bürger.

Axel Kinzinger