Post als Polit-Zensor

■ Bürgerinitiative darf nicht gegen Atomkraft stempeln

München (taz) - Den Kampf mit dem Goliath „Atomkraft“ ist die bayerische Anti-AKW-Bürgerinitiative „David gegen Goliath“ (DAGG) gewöhnt. Doch seit kurzem hat die DAGG auch Ärger mit der Oberpostdirektion München. Ihr Logo für einen Freistempel entspräche nicht der Postordnung, teilte die Post den DAGGlern vor kurzem mit. Vor allem die Aussage unter dem Stempelbild „Pro Sonne - contra Atom, phantasievoll - gewaltfrei - konsequent“ sei als unzulässiger Vermerk politischen Inhalts zu werten. Da die Bürgerinitative nicht auf ihrer Post sitzen bleiben wollte, gab sie sich zunächst geschlagen.

Nachdem jedoch vor wenigen Tagen das Oberverwaltungsgericht Münster einem Grünen Kreisverband das Recht zusprach, sein Antiatomkraftzeichen weiter als Absender verwenden zu dürfen, meldete sich David noch mal beim Goliath Post. Das Münsteraner Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werden dürfe. Bei der Bundespost (DBP) hingegen wird mit zweierlei Maß gemessen: Gegen eine Postwurfsendung des rechtsradikalen Verlegers und Vorsitzenden der Deutschen Volksunion, Frey, an alle Haushalte hatte die Post nämlich keine politischen Bedenken. „Es geht nicht an, daß sich die Deutsche Bundespost die Rolle eines Zensors anmaßt und gleichzeitig aus durchsichtigem Geschäftsinteressen gegen diese Grundsätze verstößt“, kritisierte der Sprecher der DAGG, Rechtsanwalt Bernhard Fricke. Die DBP jedoch sieht trotz des Urteils keine Veranlassung ihre Entscheidung zu revidieren. „Auf der Rückseite kann jeder machen, was er will“, so der Sprecher des Bundespostministeriums, Klaus Czerwinski. Ein Freistempel auf der Vorderseite des Briefes komme jedoch einer Urkunde gleich. Zum Wirbel um die rechtsextremistische Propagandasendung von Frey berief er sich auf die postalische Dienstleistung, Werbezettel zu transportieren.