Vereinskultur

■ Der Präsident der „größten kulturellen Institution Berlins“ gibt SPD und AL gute Ratschläge für die Koalitionsverhandlungen

„Der Begriff der Weltstadt ist verbraucht, was wir jetzt werden können, ist eine multikulturelle Großstadt“, weiß Ulrich Roloff-Momin, der sich als Präsident der HdK, der „größten kulturellen Institution Berlins“, in Sachen kulturpolitische Wende profilierte. Ferner weiß er, daß die „Sinngebungspolitik“ im Kulturbereich prima geeignet ist, den republikanischen „Schoß, der da noch fruchtbar ist, auszutrocknen“. Wie dies funktioniert, schrieb der ehemalige - wendeausgetretene - FDPler jetzt SPD und AL gestern in die Parteibücher - für die wechselseitigen Koalitionsverhandlungen. Schließlich hätte die CDU ihren smarten Integrator Hassemer auch in die Verhandlungscombo geschickt, d.h. die Bedeutung der Kulturpolitik sehr wohl erkannt, während bei den Sozialdemokraten ein Vertreter dieses Ressorts fehle. Dies ist allerdings kein Wunder, weil SPD-Schattenkultursenator Ditmar Staffelt bisher nur eine Art Platzhalter für ein in der SPD eigentlich verwaistes Ressort ist, der Partei ein geeigneter Kulturkandidat fehlt und nach einem solchen deshalb zur Zeit noch westdeutschland -weit gefahndet werden soll. In dieses Vakuum bläst also Roloff-Momin und appelliert hilfsweise an die AL, sie möge seine Erkenntnisse in die Verhandlungsmasse mit aufnehmen: Erstens entdeckt er - offensichtlich als Erfinder der Dialektik - in der Jubelkultur „auch ein nationalistischesWir-sind-wieder-wer-Gefühl“ bei gleichzeitiger „Entfremdung breiter Bevölkerungsschichten in ihrer eigenen Stadt.“ Zweitens kommt er, wie schon die SPD, auf die Idee, Geschichtswerkstätten und Kiezkultur zu fördern. Und drittens will er einen „Verein Berliner Kulturkonzept“ gegründet sehen, in dem alle vom Amt für Volksbildung emanzipierten und außerhalb des Parteienproporzes zu besetzenden bezirklichen Kunstämter vertreten sind, neben dem Kultursenator, den kulturellen Standesorganisationen und einzelnen Kulturschaffenden. Aufgabe des Vereines wäre es, sich dann gegenseitig das Geld zuzuschieben, denn „Kultur muß sich selber verwalten.“ Soweit hat die angesprochene AL

-mittlerweile in Sachen Kulturpolitik wenigstens nicht mehr ganz so unterbelichtet wie noch vor Kurzem - indessen schon selber gedacht: Kulturamtsförderung - allerdings ohne Vereinsmodell - Ausländerkulturförderung und Jubelkulturverdammung gehören ohnehin zu den alternativen wie auch zu den sozialdemokratischen Standardrezepten. Interessant werden die Verhandlungen schließlich wohl nur an einem - für die AL allerdings zentralen - Punkt werden: Im Rahmen der Zurücknahme des FNP soll auch der Bau des „Deutschen Historischen Museums“ im Tiergarten verhindert werden. Die Geschichte des Deutschen Reiches seit 1871 (statt, wie bisher geplant, seit den Wenden) sollte vielmehr ein bescheideneres Plätzchen im Reichstag finden, so die neue Kultur-Abgeordnete Sabine Weißler. Die SPD hat hierin bisher ihre Unterstützung erkennen lassen, ob sie allerdings den befürchteten Erpressungen des Bundes widerstehen wird, kann die AL bisher nur hoffen.

grr