Das Krokodil von der „Nordkredit“

■ Einem Krokodil, einer kaputten Skulptur und einer jungen Geologin verdanken die BremerInnen eine neue Sonderausstellung im Überseemuseum: „Bremer Stein“

Vor 130 Millionen Jahren legte sich am Rande des Flachmeeres beim heutigen Bückeburg (Nähe Braunschweig) ein Krokodil zum Sterben. In der Nähe krochen Schildkröten durch den Sand, Dinosaurier der Gattungen Iguanodon und Apatosaurus schleppten sich durch das feuchtwarme Klima. 130 Millionen Jahre später, im Jahre 1945, entdeckte der Steinmetz Otto Stehr beim Abbruch des alten Giebels an der Norddeutschen Kreditbank in Bremen einen Riß in einer Skulptur. Er ging der Sache nach und fand im Innern den versteinerten

Schädel unseres Krokodils. Das Krokodil von der Nordkredit wurde präpariert und landete im Magazin des Überseemuseums.

Der Geologin Ina Harnack, die 1987 ihr zweijähriges Museumsvolontariat am Bahnhofsplatz begann, ließ das exotische Fossil keine Ruhe: Wie kommt ein Krokodil zur Norddeutschen Kreditbank? Wie kommt es, daß ein im Baugewerbe hochgeschätzter Sandstein den Namen Bremens trägt? Ina Harnack fragte und forschte, das Ergebnis ihrer Recherche dokumentiert die kleine Ausstellung im Überseemuseum.

Seit dem Mittelalter wurde in Steinbrüchen bei Bückeburg der Oberkirchener Sandstein abgebaut. Frühe bekannte Bauwerke aus dem harten, witterungsbeständigen Stein sind der Mindener Dom aus dem 11. Jahrhundert und der Verdener Dom (um 1185). Ab dem 15. Jahrhundert wurde das begehrte Baumaterial auch außerhalb der Region verwandt.

Unsere Altvorderen transportierten die Steine mit Wagen und Karren bis zur Weser nach Minden und Petershagen und dann auf eichenen Lastkähnen bis Bremen. Hier wurde der Stein für die Verschiffung nach Übersee umgeladen oder im Hafen gelagert. Bremens Kaufleute, nimmermüde auf der Suche nach neuen Einnahmequellen, erkannten bald die Qualität des Naturprodukts und verkauften es in der ganzen Hanse, von Reval und Petersburg bis Amsterdam. Internationale Dimensionen erforderten internationale Standards beim Marketing: Aus dem Oberkirchener Sandstein kreierten die Pfeffersäcke den Bremer Stein. Der bescherte den BerlinerInnen die Siegessäule, den DänInnen Schloß Amalienborg, in Djakarta ist das Denkmal der niederländischen Königin aus Bremer Stein gefer

tigt, und die KölnerInnen restaurieren heute ihren ewig bröckelnden Dom mit dem Stein, der sich auch gegen Umweltgifte als einigermaßen resistent erwiesen hat.

Besonderer Wertschätzung erfreute sich der helle Stein natürlich bei Bremer ArchitektInnen, die den Farbkontrast zum landesüblichen Allzweck-Baumaterial Ziegelstein schätzten. Vorzugsweise für Portale und weitere repräsentative Teile an repräsentativen Bauwerken verwendeten sie den Stein. Das Bremer Rathaus und die Stadtwaage sind hervorragende Beispiele des als Weser -Renaissance bekannten Baustils, der im 16. Jahrhundert bis zum Beginn des dreißigjährigen Krieges (1618) seine Blüte erlebte.

Gaby Mayr

Eröffnung: Sonntag, 10 Uhr, mit Mittelalter-Musik von „Orwitzel„