Brasilien gewährt Exdiktator Stroessner Asyl

■ Der gestürzte Diktator hat am Sonntag Paraguay verlassen / Er darf vorübergehend in Brasilien bleiben / Keine Stroessner-Porträts mehr in Asuncion / Neue Regierung der Altgedienten kündigt schnelle Wahlen an / Opposition für späteren Wahltermin

Rio de Janeiro/Asuncion (afp/ap/dpa/taz) - Paraguays gestürzter Diktator General Alfredo Stroessner hat fürs erste in Brasilien Asyl gefunden. Der neue Machthaber des Landes, General Andres Rodriguez, begleitete ihn am Sonntag abend persönlich zum Flughafen der Hauptstadt, wo er eine Maschine der paraguayischen Fluggesellschaft bestieg, die schließlich auf dem Flughafen von Campinas im Süden Brasiliens landete. Von dort flog ihn eine Maschine der brasilianischen Luftwaffe in die 1.100 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro gelegene Kleinstadt Itumbiara im Bundesstaat Goias, wo er in einem Gästehaus der regionalen Elektrizitätsgesellschaft Unterschlupf fand. Stroessner wurde von rund 20 Familienangehörigen und engen Mitarbeitern begleitet, unter ihnen seine Ehefrau Maria, sein früherer Außenminister Rodney Alpidio Acevedo und sein Sohn Gustavo, Oberstleutnant der Luftwaffe, den er gerne zu seinem Nachfolger eingesetzt hätte. Brasiliens Regierung hatte dem Ersuchen Paraguays entsprochen, dem 76jährigen Asyl zu gewähren. Aus der brasilianischen Botschaft in Asuncion verlautete, Stroessner sei gehalten, seinen endgültigen Wohnsitz außerhalb Brasiliens zu nehmen, doch sei sein Aufenthalt nicht befristet worden. Im südbrasilianischen Guaratuba besitzt der gestürzte Diktator zwar eine Strandvilla. Doch hat der Gouverneur des Bundesstaates Parana, in dem die Stadt liegt, bereits öffentlich erklärt, Stroessner sei in seinem Staat nicht erwünscht. Parana habe in den vergangenen Jahren immer wieder politische Flüchtlinge aus Paraguay aufnehmen müssen.

Etwa 250 DemonstrantInnen konnten sich am Sonntag zur Aussichtsplattform des internationalen Flughafens von Asuncion, der bis Freitag noch „Flughafen Presidente Stroessner“ hieß, durchschlagen, von wo sie dem scheidenden Diktator alle möglichen Flüche nachriefen und „Es lebe die Demokratie, es lebe die Freiheit“. Unterdessen machten sich Soldaten und Bewohner der Hauptstadt daran, die allgegenwärtigen Porträts des Sohnes eines oberfränkischen Bierbrauers abzuhängen und seine Büsten zu zerstören. Die Autofahrer gaben ihrer Freude über den Abflug des Diktators, der das Land fast 35 Jahre lang beherrscht hatte, mit Hupkonzerten Ausdruck. Die Grenzstadt Puerto Stroessner wurde inzwischen in Capital del Este (Hauptstadt des Ostens) umbenannt.

Bei dem Putsch sind offiziellen Angaben zufolge nur 17 Personen umgekommen, für die am Sonntag eine Gedenkmesse stattfand, an der auch der neue Präsident, General Rodriguez, Oppositionsführer Domingo Laino sowie der Erzbischof von Asuncion, Ismael Rolon, teilnahmen. Alle drei wurden im Anschluß an den Gottesdienst von mehreren tausend Menschen mit Beifall bedacht. Journalisten und Diplomaten hatten berichtet, daß bei den schweren, zehn Stunden andauernden Gefechten zwischen den Putschisten und den Verteidigern des Polizeihauptquartiers sowie der Kaserne von Stroessners Eskortebataillons zwischen 200 und 300 Menschen den Tod fanden. Die Kaserne und die Hauptquartiere der Polizei und des Generalstabs gleichen Augenzeugenberichten zufolge einem Ruinenfeld.

Unterdessen hat die neue Regierung, die aus altgedienten, zum Teil erst vor zwei Jahren ausgebooteten Anhängern Stroessners besteht, offiziell angekündigt, daß in spätestens drei Monaten Parlamentswahlen und in spätestens sechs Monaten Präsidentschaftswahlen stattfinden werden. Wichtige Führer der politischen Opposition, die aus zwei parlamentarischen Parteien (Liberale, Radikalliberale) und vier außerparlamentarischen (Authentische Radikalliberale, sozialdemokratische Febreristen, Christdemokraten und Mopoco -Colorados) besteht, haben sich für einen späteren Wahltermin ausgesprochen. Die Parteien, die eher Zirkel in den oberen Schichten der Hauptstadt als in der Bevölkerung verankerte Organisationen sind, befürchten, daß die seit 1940 regierende Colorado-Partei sich einen schnellen Sieg organisiert, bevor die Opposition sich überhaupt landesweit bekannt machen kann. Auf dem Land, wo zwei Drittel der Paraguayer wohnen, gibt es faktisch bislang nur die Colorado -Partei, der von den vier Millionen Paraguayern (Kinder eingeschlossen) 1,4 Millionen, jeder Dritte also, angehören. Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst besteht Zwangsmitgliedschaft in der Staatspartei. Die meisten Arbeitsstellen werden direkt über die Parteifilialen vermittelt.

Der neue Außenminister Luis Maria Argana gab bekannt, die Regierung habe nicht die Absicht, die 1967 gemeinsam mit der Opposition ausgearbeitete Verfassung außer Kraft zu setzen, doch stellte er ein neues Wahlgesetz in Aussicht. Nach dem bisherigen Wahlrecht erhielt die Mehrheitspartei automatisch zwei Drittel der Sitze in jeder der beiden Kammern des Kongresses. Die Opposition, der die Diktatur bei regelmäßig gefälschten Wahlen jeweils etwa zehn Prozent Stimmen zuwies, verfügt über das übrige Drittel der Parlamentssitze.

thos