BfA: Private „Rentenreform“

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt / Illegaler Zuverdienst?  ■  Von Hensel und Gaserow

Berlin (taz) - Als Ende Januar die Rentenreform Schlagzeilen machte, traten unbemerkt von der Öffentlichkeit bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin Beamte der Staatsanwaltschaft in Aktion: Ausgestattet mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluß und begleitet von Beamten des Bundesversicherungsamtes durchkämmten sie die Büroräume der Geschäftsleitung der BfA. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Gleichzeitig klingelten die Herren von der Justiz auch bei zwei Mitgliedern der BfA-Geschäftsleitung und durchsuchten die Privatwohnungen des amtierenden Präsidenten der BfA, Hans -Jürgen Rohrlach, und seines ehemaligen Referenten. Der Chef der mit 15.000 Beschäftigten größten Behörde der Bundesrepublik steht nach den Staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unter dem Verdacht, in den vergangenen Jahren beträchtliche Summen aus dem BfA-Haushalt veruntreut zu haben. Zumindest einen Teil davon soll er diesem Verdacht zufolge in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Der konkrete Vorwurf: Von 1975 bis 1988 soll der jetzige Präsident in seiner Funktion als Direktor der Ausbildungsabteilung der BfA dafür gesorgt haben, daß die Rentenversicherungsanstalt in übertrieben großen Mengen dickbändige Broschüren einer Schriftenreihe angeschafft habe. Als deren Autor firmierte kein Geringerer als der jetzige Präsident selbst. Mitautoren waren weitere Mitarbeiter der BfA und einer Landesversicherungsanstalt. Insgesamt 530.000 Exemplare der Rohrlachschen Werke hat die BfA in den letzten vierzehn Jahren von der völlig unbekannten Heenemann-Verlagsgesellschaft in Berlin aufgekauft. Anschaffungspreis: 6,5 Millionen Mark.

Der Inhalt der luxuriösen Vielfarbbroschüren, die unter dem Titel Die gesetzliche Rentenversicherung in lockerer Folge erscheinen und bei der Aus- und Fortbildung verwandt werden sollen, wird bei der BfA hinter vorgehaltener Hand als reichlich überflüssig bezeichnet. Beobachter berichten, daß die im Buchhandel rund 30 Mark teure Broschüre innerhalb der BfA nach dem Gießkannenprinzip verteilt worden sei und häufig kistenweise völlig unbenutzt herumgestanden habe. Ob sie tatsächlich in so großer Auflage hätte angeschafft werden sollen, gilt - gelinde gesagt - als zweifelhaft.

Zweifelhaft ist auch die formelle Urheberschaft der Schriftenreihe, bei der Rohrlach verantwortlicher Produzent und Einkäufer in einer Person gewesen sein soll. Obwohl die Schriftenreihe mit dem Signet der BfA versehen ist und den Eindruck erweckt, es handele sich um eine offizielle Broschüre der Behörde, liegt das Copyright bei dem Fortsetzung auf Seite 2

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privaten Heenemann-Verlag in Berlin. Der Verlag gibt kaum viel anderes als die Rohrlachsche Schriftenreihe heraus. Wie viele Mitarbeiter er hat, vermag nicht einmal die Geschäftsleitung zu sagen. Er werde von dem eigentlichen Standbein des Unternehmens, der hauseigenen Druckerei, „betreut“, heißt es auf Anfrage. Nachdem auch die Geschäftsräume des Verlags durchsucht wurden, wird die Staatsanwaltschaft nun nicht nur zu prüfen

haben, ob BfA-Chef Rohrlach unzweckmäßig hohe Stückzahlen seiner Broschüren bestellen ließ. Sie wird auch untersuchen müssen, ob und in welcher Form der BfA-Präsident sein Einkommen durch eine Provision für die Druckaufträge aufgebessert hat. Rohrlach selber ließ gestern die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als unberechtigt zurückweisen. Um jeglichen Verdacht einer strafbaren Handlung auszuräumen, habe er beim Bundesministerium für Arbeit eine förmliches Disziplinarverfahren gegen sich beantragt, hieß es gestern auf Anfrage mit. Pikantes am Rande: Nach Infor

mationen der taz sollte Rohrlach in nächster Zeit vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Daraus wird möglicherweise nun ein „Bundesnebenverdienstkreuz“ werden.