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Abgeschoben ins Ungewisse

■ Kurdisch-libanesische Familie gestern aus Bremen abtransportiert / Go-In beim Sozialsenator war vergeblich / Nur Gericht kann noch Abschiebung in Türkei verhindern

Der Besitzer der Flüchtlings-Absteige „Stadt Dortmund“ hat seine ultimative Drohung wahr gemacht. Gestern, Dienstag, setzte er die elfköpfige kurdisch-libanesische Familie Karamet mitsamt ihrem spärlichen Gepäck endgültig vor die Türe. Die Gesichter der Männer waren versteinert, auf denen der Frauen schimmerten Tränen. Zufrieden schaute nur die Nachbarin aus, die mit ihren Schäferhunden die Abreise beobachtete: „Gut, daß die Kanakenschweine weg sind.“

Zwei Busse des „Arbeiter-Samariter-Bundes“ transportierten die Karamets gestern gen Hildesheim. Hier gehören sie ausländerrechtlich gesehen - hin, denn hier stellten sie ihren ersten Asyl

antrag. Doch hier wartet auf sie sehr wahrscheinlich ein neuer Transport: Der Landkreis Hildesheim will die kurdisch -libanesische Familie in die Türkei abschieben - haben sich doch beim Familienvater gefälschte Papiere gefunden, die den staatenlosen Karamets die türkische Staatsangehörigkeit bescheinigen.

In den Libanon, dort wo die Familie beheimatet ist, werden derzeit keine Flüchtlinge abgeschoben. Doch während im Bundesland Bremen KurdInnen weder in den Libanon noch in die Türkei zurückgeschickt werden, steht in Niedersachsen einem Verschub von KurdInnen in die Türkei nichts im Wege. Das Bremer Anwaltsbüro Schultz-Reimers setzt

seine letzten Hoffnungen deshalb in seinen „Widerspruch mit aufschiebender Wirkung“ beim Verwaltungsgericht Hannover und in den „Asyl e.V.“ Hildesheim, der vielleicht mehr gegen die Sozial- und Ausländer-Behörden ausrichten kann als der ausländisch-deutsche Gesprächskreis in Gröpelingen. Letzter hatte noch am Montag vergeblich ein Go-In unternommen, um zu erreichen, daß das Sozialamt solange Miete an das Hotel „Stadt Dortmund“ überweist, bis der Familienvater reisefähig ist. Doch der Bremer Ausländerreferent Albrecht Grußendorf wies die kleine Delegation ab - und der Hotelbesitzer zog die Konsequenzen.

B.D.

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