Grenzenlos

■ Der Paragraph 129a wird ausgeweitet

Vor ein paar Wochen ist in München eine 23jährige Frau wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu 10 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil sie einen Saal gemietet hatte, in dem eine Veranstaltung zur Forderung nach „Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand“ stattfinden sollte. Ein Großaufgebot der Polizei hatte jedoch das Treffen verhindert. Dennoch erfolgte die Verurteilung der Anmieterin, weil, so das Gericht, die im Saal entrollten Transparente mit der Forderung nach Zusammenlegung geeignet seien, „Sympathie und Verständnis für die RAF zu erwecken“.

Dieses Urteil markierte eine neue Etappe bei der bundesdeutschen Staatsschutzjustiz. Noch nie ist in einem 129a-Verfahren so offensichtlich wegen einer bestimmten Gesinnung und nicht wegen begangener Handlungen verurteilt worden. Ideen werden in 129a-Verfahren zu Straftaten, weil für die tatsächlich begangenen Straftaten, zum Beispiel Bombenanschläge, keine Urheber beweiskräftig ermittelt werden können.

Nur vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Verfolgungsmethoden des Staatsschutzes gegenüber Zeugen, die sich weigern, Aussagen im Zusammenhang mit 129a-Verfahren zu machen, zu erklären. Die Polizei ist mit ihrem Latein am Ende. Deshalb sollen jetzt Zeugen in beispielloser Weise über das Instrument der Beugehaft zu Aussagen gezwungen werden. Natürlich weiß der Staatsschutz, daß die Zeugen, die aus dem Bekannten- und Kollegenkreis von per Haftbefehl gesuchten Menschen kommen, über konkrete Taten nichts sagen können und werden, aber am Ende weiß man möglicherweise mehr über die Gesinnung der Gesuchten. Weiß man dann genaueres, ist auch eine Verurteilung möglich.

Daß jetzt selbst Veranstaltungen zum Zeugenverhalten eigene Ermittlungsverfahren wegen 129a begründen und so aus Zeugen Beschuldigte machen, ist da nur logisch. Wer den Rechtsstaat befürwortet, zu dieser Entwicklung aber schweigt, sollte künftig sein Maul halten.

Walter Jakobs