Mißtrauen ist angesagt

Bundesregierung stoppt Raketenprogramm nur vorerst  ■ K O M M E N T A R E

Nach den Skandalen der letzten Wochen, nach den vom Profit diktierten tödlichen Exporten in die Spannungsgebiete der Welt kann der deutsche Ruf kaum noch schlechter werden. Das trübt die Befriedigung über den durch öffentlichen Druck zustandegekommenen Rückzieher der Bundesregierung, auf die Entwicklung einer eigenen Kurzstreckenrakete zu verzichten vorerst. Der mahnende Zeigefinger, der Warschauer Pakt möge seine Abrüstungsankündigungen erst wahr machen, bevor das Projekt endgültig im Papierkorb verschwindet, kommt hinzu. Die Geste offenbart nicht Abrüstungswillen, sondern die feste Bonner Entschlossenheit, mit einer noch gar nicht existierenden Rakete Machtpolitik zu betreiben.

Es ist nicht das notorische Mißtrauen professioneller Kassandra-Rufer, welches die Bundesregierung nicht aus dem Verdacht entläßt, sie hielte sich den Griff zur deutschen Atombombe offen. Die Partei, in der der ungehemmte Wille eines Franz-Josef Strauß für die unsinnige Plutoniumfabrik in Wackersdorf immer noch Programm ist, hat sich solchen Verdacht selbst zuzuschreiben. Über Jahrzehnte ist schrittweise eine Ausweitung der nuklearen Teilhabe betrieben worden: Angefangen von der von Strauß betriebenen Lizenzproduktion des Starfighters über die Pershings bis zur hin zur Rakete „Made in Germany“ - mögen die Sprengköpfe auch in amerikanischer Hand sein. Gefeilscht wurde um die Mitbestimmung über den Einsatzbefehl, mal mit Franzosen, mal mit den Amerikanern. Die „Souveränität“ der Bundesrepublik ist das Stichwort, unter dem die CDU gegenwärtig den Aufbau einer europäischen Atomstreitmacht befürwortet und über die westeuropäische Integration einen Zugriff auf britische und französische Atomwaffen anstrebt. Der Atomwaffensperrvertrag läuft 1995 aus; im gleichen Jahr, in dem die jetzt gebremste Rakete hätte einsatzbereit sein können.

Ein Raketenprojekt, das den Verdacht nährt, es trage einen Atomsprengkopf, soll gestoppt werden. Nicht abgeschlossen sind damit jene Planspiele über die künftigen Konzepte der Bundeswehr, die auch - so sagt es das Verteidigungsministerium - die „nukleare Rolle“ der Bundeswehr beinhalten. Die Bundesregierung hat mehr zu leisten, als ein unseliges und in die Abrüstungslandschaft nicht passendes Raketenprojekt ultimativ einzustellen, damit dieses Mißtrauen obsolet wird.

Gerd Nowakowski