„Dolchstoß“ vor dem Polizeipräsidium

■ Unterschriftenaktion von sozialdemokratischen Polizisten gegen die rechtsextremen „Republikaner“ stößt auf Zustimmung, aber auch auf Empörung bei den Kollegen / Von „Bespitzelung“ und „Verleumdung“ ist die Rede

„Ich bin schon seit zwanzig Jahren in 'ner SPD!“ ruft der im C & A-Dreß gekleidete Polizeibeamte aufgeregt, „aber jetzt schmeiß ich Euch das Parteibuch hin!“ - „Mensch, mach keinen Scheiß!“ erwidert sein Berufskollege und Vorsitzender der „Sozialdemokraten in der Polizei“ (SIP) Jörg Kramer entrüstet - da ist der abtrünnige Sozi schon hinter den Eingangstüren des Landespolizeipräsidiums verschwunden. Am Haupteingang des ehemaligen Nazi-Protzbaus hatten sich gestern morgen mehrere sozialdemokratische Ordnungshüter versammelt, um den Ruf der Berliner Polizei zu retten: Die SPD-Polizisten sammelten bei ihren BerufskollegInnen Unterschriften gegen die rechtsradikalen „Republikaner“.

Von den über 15.000 Beschäftigten der Berliner Polizei haben überdurchschnittlich viele die „Republikaner“ gewählt. „Ganze Polizeieinheiten“, so protzte REP-Chef Schönhuber nach dem 29. Januar, hätten für seine Partei gestimmt. Auch unter den Mitgliedern der REP finden sich viele der uniformierten Beamten wieder. Und der Landesvorsitzende und künftige Fraktionsvorsitzende der „Republikaner“ verdiente seine Brötchen bisher als Verkehrsfahnder.

Nicht nur SPD-GenossInnen sind aufgebracht über den „Bruch des Wahlgeheimnisses“, den sie in der Unterschriftensammlung gegen die REPs sehen. „Ich bin aktives CDU-Mitglied und finde das unerträglich hier!“ meint einer, der um 7.10 Uhr seinen Dienst im Präsidium antreten will. Mit verächtlicher Mine läßt er die Flugblattverteiler in der Kälte stehen und ruft noch was von „Gesinnungsschnüffelei!“. Gegen die Unterschriftensammlung hatte zu Anfang der Woche schon die rechtsgerichtete „Polizeigewerkschaft“ im Beamtenbund nicht zu verwechseln mit der dem DGB angeschlossenen „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) - Stimmung gemacht.

Dem Vorsitzenden der SIP warfen die law & order Cops vor, ein „Polizeispitzel“ zu sein. Auf vielen Polizeistuben rumorte es. Ein Kommissar, der in der Abteilung Statistik tätig ist: „Wenn die nach den 'Republikanern‘ fragen, müssen wir uns auch von der AL distanzieren!“

Ein etwa 50jähriger Beamter, der schon im grünen Dreß zur Arbeit kommt, sieht das gelassener: „Mit einer Verletzung des Wahlgeheimnisses hat das nichts zu tun hier. Das ist nichts weiter als eine Erklärung.“ Sprachs, und ließ sich die Liste reichen.

Die Anzahl der Befürworter und Gegner der öffentlichen Erklärung ist am Freitag morgen etwa gleich groß. Rund 150 Unterschriften können die Sozialdemokraten nach anderthalb Stunden zählen, für Jörg Kramer eine „gute Resonanz“. Die meisten der etwa 500 Menschen, die an diesem Morgen durch den Haupteingang zum Dienst antreten, nehmen die Flugblätter mit ins Büro; einige lassen sich das Material gleich stapelweise mitgeben. Andere nehmen die Flugblätter nur höflich entgegen, um sie gleich darauf im nächstgelegen Papierkorb zu entsorgen. Andere sind weniger zurückhaltend:

„Was haben sie denn da?“ fragt gegen 8.00 Uhr ein Staatsschutzbeamter interessiert. Dann holt der Ordnungshüter Luft, reißt eine halbvoll beschriebene Liste vom ihm entgegengehaltenen Block herunter und zerknüllt das Blatt mit beiden Händen. Die Papierknäuel läßt er auf die Erde fallen. Während des Zerstörungsrituals, bei dem den Sozis und umstehenden Journalisten die Klappe runterfällt, stammelt er: „Das ist ein Dolchstoß in den Rücken der Demokratie und in den Rücken der Polizei! Ich tue das hier stellvertretend für viele!“ Da hat er wahrscheinlich sogar recht. Die bösen Blicke, die Kramer und GenossInnen am Freitag morgen ernten, ließen ahnen, wieviele Beamte sich schlichtweg als REP-Symphatisanten „ertappt“ fühlten.

Um 8.10 Uhr packen die Sozialdemokraten ihren Infostand zusammen. Bevor sie in die Kantine verschwinden können, verlangt ein Wachmann tatsächlich die Sondergenehmigung vom Amt zu sehen. Ob mit oder ohne „Republikaner“ - innerhalb der Berliner Polizei gilt: Ordnung muß eben sein!

CC Malzahn